Praxis-Leitlinien der Deutschen Diabetes-Gesellschaft erstmals als Gesamtausgabe erschienen
Neue Praxis-Leitlinien zu „Diabetes im Alter“ sowie „Diabetes, Sport und Bewegung“
Die Deutsche Diabetes-Gesellschaft (DDG) hat zur diesjährigen Jahrestagung im Mai 2006 erstmalig eine Gesamtausgabe aller Praxis-Leitlinien veröffentlicht. (Herausgeber: W.A. Scherbaum und W. Kerner) Diese Gesamtausgabe enthält alle 14 Praxis-Leitlinien, didaktisch optimiert und ergänzt durch nützliche Tools für die Anwendung in der Arztpraxis.
Zahlreiche Praxis-Leitlinien wurden aktualisiert und zwei Praxis-Leitlinien neu entwickelt: Die neu hinzugekommenen Praxis-Leitlinien befassen sich mit den wichtigen Themen „Diabetes, Sport und Bewegung“ sowie „Diabetes im Alter“ und ergänzen damit das Leitlinienprogramm der DDG um zwei wesentliche Anwendungsempfehlungen für die tägliche Praxis. Um die Umsetzung der Empfehlungen in die Praxis zu unterstützen, wurden alle Praxis-Leitlinien gezielt didaktisch überarbeitet. Die wichtigsten Bereiche werden übersichtlicher dargestellt. Praxistools im Anhang jeder Leitlinie dienen dem schnellen Nachschlagen von Messwerten, Empfehlungen oder Untersuchungsbögen. Weiterführende Internetadressen informieren über angrenzende Fachdisziplinen.
Die Umsetzung von Leitlinien erfolgt auf drei Ebenen: Die evidenzbasierten Leitlinien bzw. Handlungsempfehlungen beruhen auf einer wissenschaftlich gut begründeten Evidenz (Beweis). Sie sind die Basis für wissenschaftliche Erhebungen, epidemiologische Studien, klinische Studien und die universitäre Lehre. Die Praxis-Leitlinien sind die Basis für die Umsetzung in die ärztliche Praxis wie auch für die Standardisierung von Aus- und Weiterbildung. Die dritte Ebene bildet die Laienversion als Grundlage für Patientenschulung, Fortbildung von Apothekern sowie Bürgerinformationen (siehe www.diabetes-deutschland.de)
Komplett überarbeitet liegt auch die evidenzbasierte Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Herzerkrankungen bei Diabetes mellitus“ vor. Diese DDG-Leitlinie wurde mit der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie abgestimmt und ist damit gleichermaßen relevant für Diabetologen und Kardiologen. Erneut aktualisiert wurde die evidenzbasierte Leitlinie „Adipositas und Diabetes mellitus“ als gemeinsame Leitlinie der DDG, der Deutschen Adipositas-Gesellschaft, der Deutschen Gesellschaft für Ernährung e. V. und der Gesellschaft für Ernährungsmedizin. Weitere Aktualisierungen von evidenzbasierten DDG-Leitlinien werden in Kürze zum diabetischen Fußsyndrom, Diabetes mellitus im Kindes- und Jugendalter sowie zur Thematik Psychosoziales und Diabetes mellitus auf den Webseiten der DDG veröffentlicht werden.
Damit hat die Deutsche Diabetes-Gesellschaft nun 14 Praxis-Leitlinien und 15 evidenzbasierte Leitlinien entwickelt und herausgegeben. Alle DDG-Leitlinien verfolgen ein Ziel: ärztliche Entscheidungen und medizinische Abläufe in Prävention, Diagnostik, Therapie und Langzeitbehandlung des Diabetes mellitus und seiner Begleit- und Folgekrankheiten zu unterstützen. Für die Praxis heißt das, bei möglichst vielen Patienten optimale Behandlungserfolge zu erzielen. Patienten und andere Interessierte finden leitlinienbasierte und qualitätsgesicherte Bürger- und Patienteninformationen im Internet (www.diabetes-deutschland.de); ein Service des Deutschen Diabetes-Zentrum DDZ Düsseldorf. Damit ist es der DDG gelungen, ein einheitliches, aufeinander aufbauendes Leitliniensystem für Experten, Praktiker und Laien anzubieten.
Praxis-Leitlinie „Diabetes, Sport und Bewegung“
Unterschiedlicher Stellenwert von Sport und Bewegung im Therapiekonzept des Typ 1 und Typ 2 Diabetes
Bei der Behandlung des Diabetes mellitus haben Sport und Bewegung für Menschen mit Typ 1 und Typ 2 einen grundsätzlich unterschiedlichen Stellenwert. Die Insulinsubstitution beim Typ 1 Diabetes erhöht das Risiko für Stoffwechselentgleisungen (Hypoglykämien und Ketoazidosen) bei körperlicher Aktivität und Sport. Wichtiges Behandlungsziel ist es daher, risikoarm Sport und Bewegung in das Alltagsleben dieser Menschen mit Diabetes zu integrieren. Die Wissensvermittlung über den Zusammenhang von Insulinbehandlung und Bewegung muss Bestandteil jeder strukturierten Schulung für Typ 1 Diabetiker sein. Bei Typ 2 Diabetes ist die gestörte Insulinwirksamkeit der grundlegende Defekt dieser Form des Diabetes. Maßnahmen, die die Steigerung der Insulinwirksamkeit bewirken, bieten eine therapeutische Option zur kausalen Behandlung des Typ 2 Diabetes. Nur die lebenslange Umstellung auf einen körperlich aktiven Lebensstil kann bei Menschen mit bereits vorhandenem Typ 2 Diabetes zur Besserung der Blutzuckereinstellung, Senkung erhöhter Blutfette und Normalisierung des Blutdrucks beitragen. Bei Menschen mit gestörter Glukosetoleranz kann ein aktiver Lebensstil das Manifestationsrisiko für Typ 2 Diabetes senken. Die neue Praxis-Leitlinie verdeutlicht auch die Prinzipien der medikamentösen Therapie des Typ 2 Diabetes.
Praxis-Leitlinie „Diabetes im Alter“
Ältere Menschen brauchen altersspezifische multimodale Therapiekonzepte
Ältere Menschen sind besonders häufig von einem Diabetes mellitus betroffen. So leidet nahezu jeder fünfte (18,7 %) Mensch im Alter zwischen 65 und 74 Jahren an Diabetes. Bei weiteren 23 Prozent der älteren Menschen besteht eine gestörte Glukosetoleranz. Neben den bekannten mikroangiopathischen Folgen der Erkrankung wie Schäden an Nieren, Augen und Nerven stehen beim älteren Menschen zwei andere wichtige Krankheitsgruppen im Vordergrund. Dies ist zum einen die Arteriosklerose mit den typischen Folgen Schlaganfall und Herzinfarkt, aber auch die weniger bekannten Folgen Impotenz oder durch gestörte Hirndurchblutung versuchte (vaskuläre) Demenz, die nach Alzheimer zweihäufigste Demenzursache. Diese Erkrankungen sind allein durch Blutzuckersenkung nur wenig beeinflussbar und benötigen alterspezifische multimodale Therapiekonzepte. Die zweite große Krankheitsgruppe betrifft Störungen im Alltag älterer Menschen (geriatrische Funktionsstörungen). Sturzneigungen, Depressionen, Gedächtnisverlust oder auch Schlafstörungen können durch Diabetes bei älteren Menschen noch verschlimmert werden. Mit der neuen Praxis-Leitlinie wird den Hausärzten und Diabetologen ein übersichtliches Hilfsmittel an die Hand gegeben, welches checklistenartig die zahlreichen Störungen aufzählt. Zu jeder Folge oder Begleiterkrankung finden sich Hinweise, wie man sich der Problemstellung nähern kann und welche Besonderheiten beim älteren Menschen zu beachten sind.
Überarbeitete evidenzbasierte Leitlinie „Diabetes und Herz“ mit Relevanz für Diabetologie und Kardiologie
Mit der Vorlage der völlig überarbeiteten Leitlinie „Diagnostik und Therapie von Herzerkrankungen bei Diabetes mellitus“ wird die bestehende Version „Diabetes und Herz“ ersetzt. Wie bereits die Spezifizierung des Titels zeigt, sind die Verfahren und neuen Methoden zur Diagnostik und zur Prävention der progredienten Herzerkrankung besonders bei Patienten mit Diabetes mellitus stärker in den Fokus der Leitlinie gerückt, um gerade die enorme Wichtigkeit der direkten Zusammenhänge zu betonen. Neueste praktische Erkenntnisse aus relevanten, teils noch nicht publizierten Studien wie der CHARISMA-Studie sowie Erfahrungen aus der alltäglichen kardiologischen Praxis sind in die Neuformulierung der Leitlinie eingeflossen. Berücksichtigung wurden ebenfalls bestehende Leitlinien wie etwa die der American Diabetes Association (ADA) oder des American College of Cardiology (ACC) oder aber auch Expertenmeinungen der EU-Konferenz zur Prävention des Diabetes mellitus Typ 2. Bei der Leitlinie handelt es sich um eine komplett überarbeitete Version und um ein Dokument, dass gleichermaßen für die Diabetologie als auch für die Kardiologie von großer Relevanz ist.
Ziele des Leitlinienprogramms der DDG
Alle DDG-Leitlinien verfolgen das Ziel, ärztliche Entscheidungen und medizinische Abläufe in Prävention, Diagnostik, Therapie und Langzeitbehandlung des Diabetes mellitus und seiner Begleit- und Folgekrankheiten zu unterstützen. Für die Praxis heißt das, bei möglichst vielen Patienten optimale Behandlungserfolge zu erzielen. Bei dem Leitlinienprogramm der DDG handelt es sich um ein integriertes System von evidenzbasierten Leitlinien, daraus abgeleiteten Praxis-Leitlinien sowie einer Version für Patienten, interessierte Bürger, aber auch für die Fachöffentlichkeit. Alle Leitlinien der DDG sind in die höchste Qualitätsstufe S 3 des Leitlinien-Bewertungssystems der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) eingearbeitet worden. Die Leitlinien werden regelmäßig aktualisiert. Neue wissenschaftliche Erkenntnisse zwischen den Terminen werden zeitnah in den Online-Versionen auf den DDG-Webseiten veröffentlicht.
Die Diabetes-Leitlinien sind ein Projekt der Deutschen Diabetes-Gesellschaft DDG. Sie werden finanziert mit Mitteln der DDG und des Nationalen Aktionsforums Diabetes mellitus (NAFDM), das von der Deutschen Diabetes-Union koordiniert wird. Alle Leitlinien werden von den Mitgliedern der DDG sowie anderen Gruppierungen ehrenamtlich erstellt.
Sämtliche DDG-Leitlinien sind auf den Webseiten der DDG unter www.deutsche-diabetes-gesellschaft.de, die Patienten- und Bürgerversion unter www.diabetes-deutschland.de abrufbar.
Anfragen oder Kommentare zu den Leitlinien nimmt der Vorsitzende der Leitlinien-Kommission der DDG, Professor Dr. W. A. Scherbaum, Deutsches Diabetes-Zentrum DDZ Düsseldorf, entgegen (E-Mail: scherbaum@ddz.uni-duesseldorf.de).
Hader C, Gräf-Gruß R. Diabetes im Alter. Hrsg. Scherbaum WA. Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1 Suppl 2: S237-242, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York
Kemmer FW. Diabetes, Sport und Bewegung. Hrsg. Scherbaum WA. Diabetologie und Stoffwechsel 2006; 1 Suppl 2: S243-246, Georg Thieme Verlag KG Stuttgart, New York
Tschöpe D, Stratmann B, Standl E, Eckert S, Janka HU, Erdmann E, Behrens M, Strasser RH, Dörr R, Motz W, Jacob J, Gohlke H, Horstkotte D. Diagnostik und Therapie von Herzerkrankungen bei Diabetes mellitus. Aktualisierte Version auf den Webseiten der DDG www.deutsche-diabetes-gesellschaft/Evidenzbasierte Leitlinien/Herzerkrankungen. Scherbaum WA, Kerner W (Hrsg.). Mai 2006)
Ingrid Bollmann, Deutsche Diabetes-Klinik, Deutsche Diabetes-Zentrum, Leibniz Zentrum für Diabetes-Forschung an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Erstellt: August 2006
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