Selen und Diabetes – Gibt es einen Zusammenhang?
(27.04.2007) Selen ist ein essenzielles Spurenelement und spielt eine wichtige Rolle in zahlreichen Stoffwechselvorgängen und in der Immunabwehr. Selen darf allerdings nicht in hohen Dosen eingenommen werden, da es bei zu hoher Aufnahme Vergiftungserscheinungen auslöst. Bei einer abwechslungsreichen und ausgewogenen Ernährung (Selen ist in Fisch, Eigelb, Nüssen, Fleisch und Leber enthalten) sind Mangelerscheinungen nicht zu befürchten.
Auch Fisch ist ein Lieferant des Spurenelements Selen Foto: DAK/Wise
Schon seit längerem versuchen Forscher herauszufinden, ob es einen Zusammenhang zwischen Diabetes einerseits und Selenaufnahme und -speicherung andererseits gibt. Bisherige Untersuchungen kamen zu widersprüchlichen Ergebnissen. Selen wird eine antioxidative und zellschützende Wirkung zugeschrieben und in Experimenten konnte ein insulinähnlicher und antidiabetischer Effekt gezeigt werden. Das würde bedeuten, dass Selen möglicherweise eine protektive Wirkung für die Entwicklung eines Diabetes mellitus haben kann. Von dieser Annahme gingen auch die Forscher vom Welch-Zentrum für Prävention, Epidemiologie und Klinische Forschung an der Johns Hopkins Universität in Baltimore aus, als sie einen Zusammenhang zwischen Selen und Diabetes erneut untersuchten. Sie testeten ihre Hypothese mit einer Querschnittsanalyse der Umfrage-und Untersuchungsergebnisse von über 8.876 erwachsenen Teilnehmern des dritten amerikanischen Gesundheits- und Ernährungssurveys (Third National Health and Nutrition Examination Survey). Das Ergebnis war überraschend: Nach Korrektur für Alter, Geschlecht, Rasse und Gewicht (Body Mass Index) hatten Personen mit Diabetes einen geringfügig höheren Selenspiegel als Personen ohne Diabetes. Diabetes wurde definiert durch eine Nüchternblutglukose von 126 mg/dl oder darüber, eine vorausgegangene ärztliche Diagnosestellung oder die Einnahme von oralen Antidiabetika bzw. Gabe von Insulin.
Wenn man alle untersuchten Personen je nach den im Blut gemessenen Selenwerten in fünf Gruppen (Quintilen) einteilt und die Diabeteshäufigkeit vergleicht, ergibt sich folgendes Bild: In der Quintile mit den höchsten Selenwerten hatten signifikant mehr Personen Diabetes (erhöht um den Faktor 1,57) als in der Gruppe mit den niedrigsten Werten. Beim Blick auf die mittleren Quintilen zeigt sich allerdings, dass der Zusammenhang zwischen Höhe des Selenwertes und Diabeteshäufigkeit nicht geradlinig ist. Es lässt sich nicht einmal ein bestimmter Trend erkennen.
Die Autoren ziehen die Schlussfolgerung, dass in einer Bevölkerung mit generell adäquater Selenaufnahme, wie es etwa in den USA und Deutschland der Fall ist, keinen geradlinigen Zusammenhang zwischen Selenspiegel und Diabeteshäufigkeit gibt. Obwohl Personen mit Diabetes in dieser Studie einen geringfügig höheren Selenspiegel hatten, kann man daraus nicht schließen, dass ein ursächlicher Zusammenhang besteht. Erkenntnisse über einen kausalen Zusammenhang kann man nur durch prospektive Studien gewinnen. Derartige Studien werden bereits durchgeführt, sind aber noch nicht abgeschlossen und ausgewertet.
Da ein Nutzen derzeit nicht bewiesen ist und Selen in hohen Dosen toxisch wirkt, kann ein eine zusätzliche Einnahme zur Diabetesprävention in einer Bevölkerung mit allgemein adäquater Selenaufnahme nicht empfohlen werden. Ebenso sollten Patienten mit Diabetes zusätzliche Selen-Supplementierung vermeiden, solange ein wirklicher Nutzen nicht wissenschaftlich belegt ist.
Dr. med. Heinz Nagel, freier Mitarbeiter der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Bleys J, Navas-Acien A, Guallar E. Serum Selenium and Diabetes in U.S. Adults. Diabetes Care 2007, 30:829-834 |