DDG-Tagung: Kontinuierliche Blutzuckermessung
(11.06.2004) Neues von der Jahrestagung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Hannover vom 19. bis 22. Mai 2004.
In den letzten Jahren hat sich die kontinuierliche Glukosemessung zu einem wichtigen Bestandteil der modernen Diabetologie entwickelt. Nach anfänglicher Skepsis konnte sich diese innovative Technologie zunehmend in der praktischen Diabetestherapie etablieren.
Foto: Deutsche Messe AG, HannoverBereits 1976 stand mit dem von einer Ulmer Arbeitsgruppe unter Leitung von Prof. Pfeiffer entwickelten Biostator ein zunächst noch großdimensioniertes Gerät zur kontinuierlichen Glukosemessung zur Verfügung, welches im wesentlichen wissenschaftlichen Fragestellungen vorbehalten war. Die große technologische Herausforderung lag nachfolgend in der Miniaturisierung der einzelnen Komponenten, um den Einsatz unter Alltagsbedingungen zu ermöglichen. Mit dem CGMS machte die Fa. MedtronicMinimed im Jahre 2000 erstmalig ein praxistaugliches System zur kontinuierlichen Glukosemessung in Deutschland kommerziell verfügbar. Mit diesem System hielt die kontinuierliche Glukosemessung Einzug in die tägliche Praxis.
Bisherige Studien und klinische Erfahrungsberichte dokumentieren den großen Vorteil des zusätzlichen Informationsgewinns über punktuelle Blutzuckerprofile bzw. den HbA1c-Wert hinaus. Das große Potential liegt in der Detektion von unbemerkten Hypo- bzw. Hyperglykämien, insbesondere im Nachtverlauf. Die Erfassung der realen Schwankungen des Blutzuckerspiegels über einen längeren Zeitraum liefert dem Arzt eine fundiertere Basis für die Erarbeitung eines Therapieplans. Nachweislich ermöglicht eine problemorientierte Therapieanpassung eine Verbesserung des HbA1c-Wertes und damit der langfristigen Einstellungsqualität.
Die derzeitig verfügbaren oder noch in Entwicklung befindlichen Systeme basieren auf unterschiedlichen technologischen Ansätzen. Grundlegend lassen sich nicht-invasive von minimal-invasiven Methoden unterscheiden. Minimal-invasive Technologien messen die Glukosekonzentration in der interstitiellen Flüssigkeit (Anm.d.Red.: Zwischenzellflüssgkeit), welche eine enge Korrelation mit der Glukosekonzentration und -dynamik im Blut aufweist. Zu diesen technischen Ansätzen zählen die Nadel-Enzymelektroden, die Mikrodialysetechnik und transdermale Sensoren. Einige Ansätze konnten bereits bis zur Marktreife umgesetzt werden.
Zu den Nadel-Enzymelektroden zählt das CGMS der Fa. MedtronicMinimed. Eine mit Glukoseoxidase beschichtete Mikroelektrode wird im Subkutangewebe platziert. Die enzymatisch katalysierte Reaktion liefert ein der Glukosekonzentration proportionales Stromsignal, welches abgespeichert wird. Zur Umrechnung des Stromsignals in einen Glukosewert ist eine mehrfach tägliche Kalibrierung mit einem Blutzuckerwert erforderlich. Der Sensor ist für eine Messdauer von 72 Stunden zugelassen, die Datenauswertung erfolgt retrospektiv. Eine Echtzeitanzeige des aktuellen Glukosewertes ist nicht möglich. Das System ist in der Handhabung einfach und hat sich unter Alltagsbedingungen sehr gut bewährt.
Im Jahre 2003 erhielt das GlucoDay-System der Fa. Menarini basierend auf der Mikrodialystechnik die EU-Zulassung. Über eine dünne Dialysefaser im Subkutangewebe wird eine glukosefreie Spülflüssigkeit gepumpt, in der sich entsprechend dem Konzentrationsgradienten Glukose anreichert. Die Bestimmung der Glukosekonzentration erfolgt enzymatisch in einem tragbaren Biosensor. Die Funktionsdauer ist derzeit auf 48 Stunden limitiert. Vorteil dieser Technik ist die bessere Langzeitstabilität, da im Vergleich zu den Nadelelektroden kein nennenswerter Signaldrift zu erkennen ist. Eine einmalige Kalibrierung des Systems ist daher ausreichend. Eine Echtzeitanzeige und ein Hypo- bzw. Hyperglykämiealarm ist optional möglich. Nachteilig ist der größere apparative Aufwand, was derartige Systeme teuer macht und den Tragekomfort unter Alltagsbedingungen einschränkt.
Als Abwandlung dieser Technik nutzt das GlucOnline TM-System der Fa. Disetronic eine viskosimetrische Meßmethode. Basierend auf der Mikrodialysetechnik wird die Glukosekonzentration physikalisch durch Messung der glukoseabhängigen Viskositätsänderung im System bestimmt. Die ersten Prototypen befinden sich bereits in der klinischen Testphase. Mit der Markteinführung sei in absehbarer Zeit zu rechnen.
Grundlage für nicht-invasive Methoden sind optische Sensoren, die glukoseabhängig modifizierte Eigenschaften (Absorption, Streuung u. a.) des zurückgestrahlten Lichtes messen. Bislang scheiterten derartige Technologien an dem Problem, unter vielfältigen Störfaktoren das geringe Glukosesignal zuverlässig und ausreichend genau herauszufiltern.
Einen Meilenstein im Bereich des nicht-invasiven Glukosemonitorings scheint die Fa. PendragonMedical mit der „Zucker-Uhr“ Pendra gelegt zu haben. Das System wird wie eine Armbanduhr getragen und basiert auf der Impedanz-Spektroskopie-Technik. Sehr vorteilhaft ist eine Warnfunktion vor drohenden Hypoglykämien, insbesondere für Patienten mit gestörter Hypoglykämiewahrnehmung. Voraussichtlich ist es mit diesem System erstmalig möglich, ein kontinuierliches Glukosemonitoring über Wochen oder Monate durchzuführen. Nachteilig ist die aufwendige personenbezogene Kalibrierung über 2 Tage. Mit der Markteinführung wird laut Hersteller bereits Anfang des 2. Quartals 2004 gerechnet.
Zusammenfassend sind bei den derzeit verfügbaren Systemen zur kontinuierlichen Glukosemessung noch einige limitierende Faktoren zu berücksichtigen. Die technologische Entwicklung auf diesem Sektor macht jedoch rasante Fortschritte, so dass bereits in den nächsten Jahren viele Neuerungen zu erwarten sind. Bisherige Erfahrungen belegen bereits jetzt den Nutzen derartiger Systeme.
Reinhard Zick, Lingen/Ems
Meldung der Deutschen Diabetes-Gesellschaft (DDG) zur Veranstaltung auf der Jahrestagung der DDG, 20.05.2004: Vortrag Reinhard Zick, Lingen: Kontinuierliches Glukosemonitoring bei einer großen klinischen Studie
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