Kognitive Funktion bei Jugendlichen unter intensivierter Insulintherapie auch langfristig nicht beeinträchtigt
(30.10.2008) Ergebnisse der bekannten Diabetes Control and Complications Studie (DCCT) in den USA hatten eindeutig gezeigt, dass eine intensivierte Insulintherapie zu einer signifikanten Reduktion der diabetischen Spätkomplikationen führt. Die Evaluation aller Studienteilnehmer zum Studienende sowie noch einmal 12 Jahre danach hatte gezeigt, dass weder die intensivierte Insulintherapie noch das Auftreten von schweren Unterzuckerungen (in der Intensivtherapiegruppe etwa dreimal so häufig wie in der Standardtherapiegruppe) zu einer Erniedrigung der kognitiven Leistungsfähigkeit führen.
Foto: Marcus Vogel/Hertie-Stiftung
Diese langfristige Evaluation umfasste allerdings alle Studienteilnehmer (Erwachsene sowie Kinder und Jugendliche) und ließ damit die Frage offen, ob die kognitive Entwicklung bei Kindern und Jugendlichen eventuell doch negativ beeinflusst werden könnte, z. B. durch häufige oder schwerwiegende Unterzuckerungen. Besonders im Kindes- und Jugendalter könnte das reifende Nervensystem besonders empfindlich für derartige Insulte sein. Jetzt liegt zum ersten Mal eine Analyse der Altersgruppe 13 bis 19 Jahre der ursprünglichen DCCT-Studiengruppe vor.
Insgesamt nahmen von 1983 bis 1994 an der DCCT-Studie 1441 Personen teil. Diese wurden nach dem Zufallsprinzip in zwei Gruppen eingeteilt: eine Gruppe erhielt eine intensivierte Insulintherapie, die andere Gruppe die damalige Standardtherapie (ein bis zwei Insulininjektionen täglich). Von allen Teilnehmern waren zur Zeit der Einschreibung 249 Personen zwischen 13 und 19 Jahre alt und hatten bereits zumindest erste Anzeichen der Pubertät. Sie wurden etwa gleichmäßig auf die beiden Studiengruppen verteilt. Insgesamt standen für die umfangreiche, aus acht verschiedenen kognitiven Tests bestehende Nachuntersuchung 12 Jahre nach Abschluss der DCCT-Studie noch 175 der ehemaligen Studienteilnehmer zur Verfügung.
Dies sind die Ergebnisse nach Adjustierung für Alter bei Studienbeginn, Geschlecht und Bildung:
- Während des insgesamt 18 Jahre langen Beobachtungszeitraums kam es zu insgesamt 294 Fällen von Koma oder Krampfanfall bedingt durch Unterzuckerung .
- Davon traten 200 Unterzuckerungen bei 51 Studienteilnehmern der Gruppe mit intensivierter Therapie ein und 94 Unterzuckerungen bei 36 Teilnehmern der Standardtherapie.
- Die ursprüngliche Gruppenzuordnung (intensivierte Therapie oder Standardtherapie) sowie die Anzahl der schweren Unterzuckerungen hatten keinerlei Einfluss auf die kognitiven Tests. Auch das Alter hatte keinen Einfluss.
- Selbst bei einer großzügigeren Definition von Unterzuckerung (alle Episoden, bei denen fremde Hilfe benötigt wurde) konnten keine negativen Auswirkungen bei den acht kognitiven Tests festgestellt werden.
- Höhere HbA1c-Werte gingen allerdings mit einer geringen Abnahme der psychomotorischen und mentalen Leistungsfähigkeit einher.
Diese Ergebnisse gelten natürlich nur für Jugendliche im Alter von 13 bis 19 Jahren. Die Frage, ob schwere Unterzuckerungen bei Kindern und Jugendlichen unter 13 Jahren Auswirkungen auf die Kognition haben, bleibt weiter unbeantwortet.
Auch nach einer 18-jährigen Nachbeobachtungszeit der ursprünglichen Studienteilnehmer der DCCT-Studie blieb bei 13- bis 19-jährigen Jugendlichen die kognitive Leistungsfähigkeit durch die intensivierte Insulintherapie unbeeinträchtigt.
Dr. med. Heinz Nagel, freier Mitarbeiter von Diabetes-Deutschland.de
Quelle: Musen G, Jacobson A, Ryan C et al. Impact of Diabetes and Its Treatment on Cognitive Function Among Adolescents Who Participated in the Diabetes Control and Complications Trial. Diabetes Care 31 : 1933-1938, 2008 |