Hilfreiches rund um die Insulininjektion
Die meisten insulinspritzenden Diabetiker verwenden Insulinpens zur Injektion, die damit unauffälliger und einfacher geworden ist.
Trotzdem sollte jeder auch mit Spritze und Insulinflasche umgehen können, um im Notfall, etwa bei defektem Pen, gerüstet zu sein. Im folgenden werden die technischen Handgriffe beider Verfahren erklärt und Tipps gegeben, damit die Injektion erfolgreich wird und Fehler vermieden werden.
Prof. Dr. med. Thomas Haak, Chefarzt Diabetes Zentrum; Bad Mergentheim
Hier eine Übersicht über diesen Beitrag:
Dieses etwas umständliche und antiquiert wirkende Verfahren hat auch Vorteile. Sollen gleichzeitig Verzögerungs- und Normalinsulin gespritzt werden, so lassen sich mit einer Spritze beide Sorten nacheinander aufziehen und gegenüber den Pens wird ein Einstich gespart.
Insulinspritze U40 (20, 40 oder 80 Max. Einheiten) Insulinflasche(n) U40 (10 ml = 400 Einheiten) Wenn der Pen defekt ist: Insulinspritze U100 (30, 50 oder 100 Max. Einheiten) Penpatrone U100-Insulin
Spritzen von Insulin mit der Einmal- spritze
Zum Mischen von Verzögerungs- und Normalinsulin in der Spritze muss zunächst das trübe NPH-Insulin gut durchmischt werden. Dazu wird die Flasche etwa 20 Mal geschwenkt. Die frühere Empfehlung, die Flasche einige Male zwischen den Handflächen zu rollen, genügt meist nicht, um eine ausreichende Mischung zu erreichen.
Eine interessante Studie darüber wurde im DIABETES JOURNAL 05/2000 veröffentlicht. Die Insulinflaschen sind mit einem Gummistopfen luftdicht verschlossen. Um einen Unterdruck zu vermeiden wird zunächst etwa so viel Luft mit der Spritze in jede Flasche gedrückt wie an Insulin benötigt wird. Nun kann die Verzögerungsinsulinmengezuerst aufgezogen werden, am besten ein bis zwei Einheiten mehr als benötigt, da in der Nadel eine geringe Menge Luft zurückbleibt, die beim Aufziehen dann in die Spritze gelangt. Durch Klopfen und leichtes Zurückdrücken des Stempels bis zur gewünschten Insulinmenge läßt sie sich leicht entfernen. Schließlich zieht man aus der Normalinsulinflasche die entsprechende Menge dazu auf. Wenn dabei versehentlich zu viel Insulin aufgezogen wird muß die Mischung verworfen werden, da das Mischungsverhältnis nicht stimmt. Wenn dann auch noch der Stempel auf die korrekte Menge zurückgedrückt werden würde, befände sich anschließend auch eine geringe Menge Verzögerungsinsulin in der Normalinsulinflasche. Mit guten Augen ist diese Trübung erkennbar.
Aus diesem Grund empfehlen wir die Reihenfolge: zuerst Verzögerungsinsulin, dann Normalinsulin aufziehen!
Mit einem Pen läßt sich die Injektion eleganter und unauffälliger durchführen, aber auch hier sind einige technische Details zu beachten. Wird ein trübes Verzögerungsinsulin oder Mischinsulin verwendet, so muss der Pen mindestens 20 Mal in Längsrichtung geschwenkt werden. Zur Unterstützung befinden sich in den entsprechenden Penpatronen der Firma Aventis drei Stahlkugeln, bei den Insulinen der Firmen NovoNordisk, Lilly und Berlin Chemie ist eine Glaskugel enthalten. Um die Funktionsfähigkeit sicherzustellen, ist es ratsam, nach jedem Patronenwechsel und vor jeder Injektion eine geringe Menge (ca. 1-2 Einheiten) einzustellen und durch Druck auf den- Dosierknopf zu testen, ob Insulin an der Nadelspitze austritt.
Spritzen von Insulin mit dem Pen
Auch für sehbehinderte Diabetiker ist das kein Problem, denn Insulin ist am typischen Geruch des Konservierungsmittels erkennbar. Durch Temperaturschwankungen kann bei aufgeschraubter Nadel Luft in die Patrone gelangen, wodurch geringe Dosisschwankungen auftreten können. Daher sollte die Penpatrone ab und zu kontrolliert und Luftblasen entfernt werden.
Wenn der Pen dennoch einmal defekt ist, so ist ganz wichtig, dass das Insulin aus der Patrone nur mit einer speziellen U 100-Spritze aufgezogen wird. Würde man es mit einer gewöhnlichen U 40-Spritze aufziehen, so dürfte man nur 40% aufziehen, weil das Peninsulin zweieinhalb Mal konzentrierter ist als das aus der Flasche. Sie Sehen, das kann recht kompliziert werden, daher immer das passende Handwerkszeug vorrätig haben!
Die Industrie bietet Spritzen mit einer Nadellänge von 12 und 8 mm sowie Pennadeln mit Längen von 12, 10, 8, 6 und 5 mm an. Grundsätzlich gilt: je mehr Fettgewebe vorhanden ist und je mehr Insulin injiziert wird, desto länger sollte die Nadel sein. Nur sehr schlanke Menschen und Kinder bzw. Personen, die eine Nadelangst haben, sind für die sehr kurzen Nadeln geeignet. Bei diesen ist die Gefahr, daß Insulin zurückfließt, größer. Schmerzen bei der Injektion werden eher durch zu häufig benutzte, stumpfe Nadeln verursacht.
Spritzen und Pennadeln können durchaus einige Male verwendet werden, wir empfehlen sie nach zwei bis vier Mal zu wechseln. Bereits dann sind mikroskopisch ein teilweiser Abrieb der Silikonbeschichtung und kleinste Abstumpfungen der Nadeln nachweisbar. Werden sie noch häufiger benutzt wird der Einstich allmählich schmerzhaft
Folgende Fettgewebsbereiche eignen sich zum Insulinspritzen (siehe Abb.):
Spritzstellen für Insulin (rote Markierungen) Foto: Prof. Dr. med. Thomas Haak
• Bauch, links und rechts vom Bauchnabel • Oberarmrückseite (keine bevorzugte Stelle, wird von einigen Therapeuten ganz abgelehnt) • Oberschenkelvorderseite • Gesäß
Diese Areale unterscheiden sich durch die Geschwindigkeit der Insulinaufnahme:
- Bauch = schnellste Wirkung - Oberarm = mittelschnelle Wirkung - Oberschenkel und Gesäß = langsamste Wirkung
Daher empfiehlt sich ein sogenanntes Spritzschema, etwa, dass Normalinsuline in den Bauch injiziert werden und Verzögerungsinsuline in den Oberschenkel bzw. in das Gesäß. Wichtig ist nur, dass ein bestimmtes Schema angewendet wird und beibehalten wird. Durch unsystematisches Wechseln der Bezirke können Blutzuckerschwankungen auftreten.
Ebenso ist ganz entscheidend, dass zwischen den einzelnen Einstichen einige Zentimeter Platz gelassen wird um sogenannte "Verhärtungen" zu minimieren. Diese Verdickungen des Fettgewebes können durch häufige Injektionen am gleichen Ort entstehen, da Insulin ein Wachstumshormon ist und dort ein übermäßiges Fettgewebswachstum bewirken kann. Werden stumpfe Nadeln verwendet und das Gewebe dadurch verletzt, können Wachstumshormone freigesetzt werden, die ebenfalls diese Veränderungen machen
Eine Desinfektion ist nicht erforderlich, da sich nach dem Spritzen der Einstichkanal schnell schließt und Insulin mit bakterienabtötenden Konservierungsmitteln versehen ist.
An der gewählten Stelle hebt man das Fettgewebe mit Daumen und Zeigefinger ab, damit die Nadel nur in das Fettgewebe gelangt und besonders bei schlanken Menschen der Muskel nicht verletzt wird. Der Einstich kann nun gerade oder schräg erfolgen, Empfehlungen mit Einstechwinkeln (30° oder 45°) sind nicht praxisnah. Das Bilden einer Hautfalte am Oberarm ist etwas komplizierter, da die zweite Hand als Hilfe ausfällt, man kann sich aber helfen, indem die Rückseite des Oberarms z.B. auf eine Stuhllehne gelegt wird und dann leicht nach vorne gezogen wird.
Anschließend wird das Insulin injiziert und bis zu zehn Sekunden gewartet, da die Pens nachtropfen bzw. bis das Insulin im Gewebe verteilt ist. Tipp: wer schon häufiger die Erfahrung gemacht hat, dass Insulin anschließend aus dem Einstichkanal zurückläuft, sollte folgendes ausprobieren: vor dem herausziehen Spritze bzw. Pen etwas abwinkeln, dadurch wird der Kanal seitlich verlegt, das Insulin bleibt im Gewebe.
In Gebrauch befindliches Insulin darf bis zu vier Wochen bei Zimmertemperatur (bis 30° C) aufbewahrt werden, der übrige Vorrat sollte im Kühlschrank bei 2 bis 8° C gelagert werden. Frost und direkte Sonneneinstrahlung führen zu einem Wirkungsverlust des Insulins und müssen daher vermieden werden. Bei Urlaubsreisen kann man sich helfen, indem das Insulin in ein nasses Handtuch eingeschlagen wird oder in eine Thermoskanne gelegt wird, die mit kaltem Wasser gefüllt ist.
Wie sie sehen ist die Injektion kein Hexenwerk und - wenn einige grundlegende Regeln beachtet werden, sollte sie ohne Probleme erfolgreich verlaufen.
Heiko Feßler, Diabetesberater DDG, Dip. oec. Kerstin Bayer Poersch; Prof. Dr. med. Thomas Haak; alle Diabetes Zentrum Mergentheim
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum
Erstellt: 1 Februar 2002 |