Substanzgruppe
Metformin gehört zu den Biguanidderivaten und findet als einziger Vertreter dieser Substanzklasse Verwendung in der aktuellen Diabetestherapie. Metformin ist eine synthetische Verbindung mit blutzuckersenkender Wirkung.
Wirkprinzip
Metformin hat mehrere Angriffspunkte, die für eine effektive Blutzuckersenkung bedeutsam sind. Metformin verzögert die Glukoseaufnahme in der Darmzelle und vermindert die Freisetzung von Glukose aus der Leber. Letzteres führt zu einer Hemmung des Blutzuckeranstiegs im Nüchternzustand. Die Insulinwirkung wird verbessert, was zu einer Steigerung der Glukoseaufnahme und des Verbrauches durch Muskel- und Fettzellen führt.
Dadurch wird der Nüchternblutzuckerspiegel durchschnittlich um 25 Prozent gesenkt, ohne dass Unterzuckerungen erzeugt werden. Der HbA1c-Wert, der die Höhe des Blutzuckers der vergangenen 2 bis 3 Monate anzeigt, kann mit Metformin im Mittel um 1,5 Prozent gesenkt werden. Darüber hinaus verschlechtert Metformin den Appetit und hemmt damit die Gewichtszunahme bei Diabetikern.
Einsatzgebiet und Dosierung
Metformin wird ausschließlich beim Diabetes Typ 2 eingesetzt. Die Voraussetzung für die Anwendung von Metformin ist, dass die Bauchspeicheldrüse (Pankreas) noch Insulin produziert. Dieses Medikament kommt besonders bei übergewichtigen Diabetikern zum Einsatz, wenn die Stoffwechsellage nicht durch Diät und vermehrte körperliche Aktivität befriedigend eingestellt werden kann.
Metformin kann in Form einer Monotherapie oder in Kombination mit anderen oralen Antidiabetika beziehungsweise Insulin angewendet werden.
Die Metformintherapie sollte in einer einschleichenden Dosierung begonnen werden. Es wird empfohlen, die Therapie mit 500 mg nach dem Abendessen zu beginnen und nach 4 bis 5 Tagen die Dosis auf 2 mal 1 Tablette und nach weiteren 4 bis 5 Tagen auf 3 mal 1 Tablette zu steigern. Je nach Stoffwechsellage kann die Dosis innerhalb von 4 Wochen auf das therapeutisch sinnvolle Maß erhöht werden. Die Höchstdosis liegt bei 3 mal 850 mg Metformin jeweils zu den Hauptmahlzeiten. Höhere Dosen führen nicht zu einer Wirkungssteigerung und werden aufgrund der Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt von den Patienten auch nicht toleriert.
Metformin wird grundsätzlich nach einer Mahlzeit unzerkaut mit Flüssigkeit eingenommen.
Nebenwirkungen
Zu Beginn der Metforminbehandlung können gelegentlich Nebenwirkungen wie Übelkeit, Magendruck, Blähungen, Durchfälle oder ein metallischer Geschmack im Mund auftreten. In den meisten Fällen bilden sich bei Fortsetzung der Metformintherapie diese Nebenwirkungen spontan zurück. In sehr seltenen Fällen treten Störungen des Vitamin-B12-Stoffwechsels auf, die sich aber durch eine pharmakologische Vitamin-B12-Therapie beheben lassen. In diesem Fall empfiehlt sich eine jährliche Kontrolle des Blutbildes. Bei überempfindlichen Patienten kann eine Hautrötung (Erythem) auftreten.
Die schwerwiegendste Nebenwirkung, die unter der Behandlung mit Metformin auftreten kann, ist die sogenannte Laktazidose. Unter Laktazidose versteht man die Übersäuerung des Blutes durch Milchsäure (Laketat). Diese birgt die Gefahr eines Komas sogar mit letalem Ausgang, besonders wenn schwere Begleiterkrankungen vorliegen. Die Symptome sind zu Beginn uncharakteristisch und nicht sehr stark ausgeprägt. Sie ähneln den Nebenwirkungen, die zu Behandlungsbeginn mit Metformin in Erscheinung treten, lassen sich aber von diesen abgrenzen, da sie erst nach einem längeren beschwerdefreien Zeitraum der Einnahme auftreten. Anfänglich erscheinen Symptome wie Müdigkeit und Schwäche. Wenige Tage oder Wochen vor der Manifestation einer Laktazidose treten Magen-Darm-Beschwerden oder Fieber auf. Innerhalb weniger Stunden kann es zu einem Zustand der Bewusstlosigkeit begleitet von einer schnellen und tiefen Atmung, der sogenannten Kussmaul´schen Atmung, kommen.
Die Laktazidose ist äußerst selten und tritt nur dann auf, wenn die Ausschlusskriterien (Kontraindikationen) für die Behandlung mit Metformin missachtet werden. Eine besondere Gefahr birgt das Vorliegen einer Nierenschwäche (Niereninsuffizienz). Unter anderem ist eine Metformintherapie auch beim chronischen Alkoholismus und bei einer schweren Herzschwäche (Herzinsuffizienz) kontraindiziert. Unter Metformintherapie wird eine halbjährliche Kontrolle der Kreatininwerte empfohlen.
Grenzen der Tablettenbehandlung
Typ 2 Diabetiker, welche mit blutzuckersenkenden Tabletten eingestellt werden, stellen oft zu hohe Anforderungen an ihre "Zuckertabletten". Sie erhoffen sich durch die Einnahme optimale Blutzuckerwerte, sind aber zum Teil wenig motiviert, ihren Lebensstil bezüglich ihrer Ernährung und der oft mangelnden Bewegung zu ändern. Die Möglichkeit der daraus resultierenden Herz-Kreislauf-Komplikationen und der oft erschwerten Umstellung auf eine Insulintherapie, werden von einem Teil der behandelten Diabetiker ignoriert. Es ist sicherlich nicht einfach, einen Lebensstil, der sich zum Teil über Jahrzehnte etabliert hat, drastisch zu verändern. Diese Änderungen tragen jedoch zu einer stark verbesserten Behandlungsmöglichkeit unter Verminderung von eventuell auftretenden Spätkomplikationen bei.
Wertung der Medikamente
Bewertung
Aufgrund der günstigen Stoffwechseleffekte ist Metformin gerade für den übergewichtigen (adipösen) Diabetiker das Mittel der ersten Wahl. Unter Metformin wird keine Gewichtszunahme beobachtet. Es beeinflusst den Fettstoffwechsel positiv. Die Gefahr einer Unterzuckerung ist praktisch nicht gegeben, da Metformin den Beta-Zellen der Bauchspeicheldrüse kein Insulin entlockt. Somit ist Metformin als ein äußerst wertvolles und sicheres Medikament zur Behandlung des Diabetes Typ 2 anzusehen.
Da erhöhte Laktat-Konzentrationen ein potentielles Risiko für eine schwere Stoffwechselentgleisung darstellen, müssen die Ausschlusskriterien (Kontraindikationen) unbedingt beachtet werden.
Kontraindikation
Metformin darf nicht bei Patienten angewendet werden, die unter einer eingeschränkten Nierenfunktion oder einer schweren Lebererkrankung leiden. Im Falle eines schweren fieberhaften Infektes oder wenn ein operativer Eingriff bevorsteht, muss die Therapie mit Metformin unterbrochen werden, um das Risiko einer schweren Stoffwechselentgleisung (Laktazidose) möglichst gering zu halten. Metformin sollte mindestens 2 Tage vor einer Untersuchung mit iodhaltigen Röntgenkontrastmitteln abgesetzt werden. Die Verabreichung iodhaltiger Röntgenkontrastmittel kann zu einer eingeschränkten Nierenfunktion führen, und Metformin, welches normalerweise ausschließlich über die Niere ausgeschieden wird, sammelt sich im Körper an. Dies wiederum kann zu einer Laktazidose führen. Abmagerungskuren, Alkoholismus oder Erkrankungen, die mit einer schlechten Sauerstoffversorgung des Körpers einhergehen (schwere Herzinsuffizienz oder respiratorische Insuffizienz), sowie ein frischer Herzinfarkt, eine bestehende Schwangerschaft oder Stillzeit stellen ebenfalls Ausschlusskriterien dar.
Gunilla Erdmann, Prof. Dr. med. Werner Scherbaum; Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Deutsche Diabetes-Kliniik
Dieser Beitrag wurde inhaltlich zuletzt im Januar 2005 aktualisiert