Das Grundprinzip aller Kombinationstherapien, das von uns bereits im Jahre 1958 für die Kombination Sulfonylharnstoff/ Biguanid (im engeren Sinne Tolbutamid und Butylbiguanid) beschrieben wurde (s. o.) ist vor allem darin zu suchen, dass durch den unterschiedlichen Wirkmechanismus der verschiedenen verabreichten Medikamente der erwähnte additive Effekt auf die Blutzuckersenkung erreicht wird. Besonders einleuchtend ist dies z. B. für die Gabe von insulinotropen Substanzen (Sulfonylharnstoffe oder Glinide) zusammen mit nichtinsulinotropen Substanzen (Metformin, Acarbose, Miglitol oder Glitazone) sowie natürlich für die Kombination von insulinotropen Substanzen (z. B. Glimepirid) oder nichtinsulinotropen Substanzen (z. B. Metformin) mit einer Basalinjektion des hierfür besonders geeigneten 24 Stunden wirksamen Insulin Glargin. Letztere Behandlungsform wird auch als basalunterstützte orale Therapie (BOT) bezeichnet.
In den USA ist inzwischen die erste fixe Kombination von Metformin und einem Sulfonylharnstoff in drei verschiedenen Dosisstärken verfügbar. Die bislang vorliegenden Studienergebnisse bestätigen die Sinnhaftigkeit einer solchen frühzeitigen Kombinationstherapie, durch die bei sehr gutem Risikoprofil die synergetische Wirkung der beiden verschiedenen Substanzen ausgenutzt werden kann.
In den USA hat übrigens Glimepirid als einziger Sulfonylharnstoff die Zulassung für drei Indikationen erhalten: In der Monotherapie, in der Kombination mit Metformin und in der Kombination mit Insulin. Damit bewertet die Zulassungsbehörde (FDA) die Situation der Kombinationstherapie auch mit Metformin unter dem Eindruck der guten Ergebnisse der großen UKPDS-Studie in ähnlicher Weise wie die britische Diabetesgesellschaft, die gegenüber der Kombination Sulfonylharnstoff/Biguanid keine Einwände erhebt. Letztere waren ja laut geworden, als diese Kombination in der UKPDS-Studie ungünstigere Ergebnisse der Diabetes-bezogenen sowie der allgemeinen Mortalität als die Sulfonylharnstoff-Monotherapie bewirkte.
Die Autoren der Studie betonten aber, dass in dieser speziellen Subanalyse leider unterschiedliche Ausgangsbedingungen bei einer zu kleinen Patientenzahl bestanden haben und dass nicht die Kombinationsgruppe bei einem allgemeinen Vergleich schlechte Ergebnisse aufwies, sondern dass zufällig die Sulfonylharnstoffgruppe überdurchschnittlich bessere Ergebnisse zeigte. Eine zusätzliche epidemiologische Studie ergab im übrigen keinen Unterschied mehr zwischen beiden Gruppen, so dass die „Polypharmacy“ – auch mit Metformin plus Glimepirid – in der Patientenbehandlung empfohlen wird bzw. beibehalten werden kann.
In zunehmenden Maße wird bei Typ 2 Diabetikern, die gleichsam ihren fortschreitenden Insulinmangel jetzt aufgrund der längeren Lebenserwartung erleben, eine Insulintherapie erforderlich. Die Behandlung des erhöhten Blutzuckers nur mit Insulinen (Insulin-Monotherapie) mit hohen Hormondosen bedingt nicht selten eine Insulinmast, die mit einer Kombinationstherapie weitgehend vermieden werden kann. Bachmann et al. sowie Chow et al. haben unabhängig voneinander bei ihren kombiniert behandelten Patienten eine durchschnittliche Insulindosis von nur 14 bis 15 Einheiten täglich ermittelt, während bei der Insulin-Monotherapie annähernd 60 Einheiten täglich erforderlich waren.
Die Kombination von Sulfonylharnstoffen und Insulin oder auch von nichtinsulinotropen Substanzen mit Insulin hat sich besonders bewährt, wie zahlreiche Publikationen belegt haben. Wieder sei auf die Arbeiten von Yki-Järvinen verwiesen, die sich vor allem für die Kombination von Insulin Glargin mit Metformin stark macht, dabei allerdings in der Kombinationstherapie (und erst recht in der Kontrollgruppe mit Insulin-Monotherapie) über wesentlich höhere Insulindosen berichtet. Es ist zu bedenken, dass diese im Vergleich zu früheren Studien höheren Gaben von Insulin auch darauf beruhen, dass man die Patienten unter dem Eindruck verschiedener Studien noch schärfer einstellt, als dies früher der Fall war.
Im allgemeinen gilt für diese Kombinationstherapie die Regel, dass man die ursprüngliche Tablettendosis beibehält und mit kleinen Dosen Insulin (vier bis sechs Einheiten täglich) langsam ansteigend beginnt. Alternativ zur reinen Insulin-Monotherapie sollte gerade bei übergewichtigen Patienten, die durch überhohe Insulindosen ja häufig besonders an Gewicht zunehmen, diese Kombinationstherapie vor allem mit Metformin und Insulin Glargin in Betracht gezogen werden.
Im Hinblick auf die Nützlichkeit der Kombinationstherapie „Insulin plus orale Antidiabetika“ sei abschließend Bachmann, der „Vater“ dieser Kombinationstherapie wörtlich zitiert: „Typ-2-Diabetes ist eine sich kontinuierlich progressiv (Anm.d.Red.: fortschreitend) verschlechternde Erkrankung. Dabei spielen die beiden Komponenten Insulinresistenz und Insulinsekretionsstörung individuell eine unterschiedlich starke Rolle. Bei jedem Patienten sind jedoch beide Komponenten lebenslang nachweisbar und müssen bei der Therapie lebenslang berücksichtigt werden. Zum Zeitpunkt der Insulinbedürftigkeit ist darum Insulin additiv zur vorbestehenden oralen Medikation (Anm.d.Red.: Tablettenbehandlung) hinzuzugeben. Letztere kann gegebenenfalls auf ein oder zwei Medikamente reduziert werden.
Vernünftige Kombinationen sind entweder die Verabreichung eines kurzwirkenden Insulins, zum Beispiel als Analogon vor den großen Mahlzeiten in Addition zu Medikamenten, die die Insulinresistenz vermindern, oder die Gabe von langwirkenden Insulinen oder Insulin-Analoga zur Nacht zur Beeinflussung der Nüchternhyperglykämie (Anm.d.Red.: erhhöhter Nüchternblutzucker) in Ergänzung zu oralen Medikamenten, die die postprandiale Situation (Anm.d.Red.: Situation nach Nahrungsaufnahme) beeinflussen, wie Alpha-Glukosidase-Hemmer oder insulinotrope Substanzen.
In der Situation „Versagen der Insulintherapie“ sind orale Medikamente unter ähnlichen Gesichtspunkten individuell ausgewählt hinzuzufügen. Bei Gabe von insulinotropen Substanzen sind die vorbestehenden Insulindosen immer zu reduzieren, unabhängig von der aktuellen Stoffwechselwirkung. Bei Zugabe von Medikamenten, die die Insulinresistenz reduzieren, ist entsprechend dem Therapieeffekt die Insulinreduktion durchzuführen.“
Alles in allem sei noch einmal betont, dass die verschiedenen Formen der Kombinationstherapie, wie sie hier geschildert wurden, nicht der Ausdruck einer Polypragmasie (Übergeschäftigkeit der betreuenden Ärzte), sondern einer sinnvollen „Polypharmacy“ sind und dem großen Ziel der guten Einstellung des Diabetes zur Vermeidung von Folgeschäden zu dienen haben.
Prof. Dr. med. Hellmut Mehnert, Geschäftsführender Vorstand der Forschergruppe Diabetes am Institut für Diabetesforschung, Krankenhaus München-Schwabing, Ehrenpräsident der Deutschen Diabetes-Union e.V. Krailling, Mitglied im Fachbeirat von www.diabetes-deutschland.de
Abgeänderte Fassung aus Notabene medici 34, Heft 5/6, S. 178 – 179 (2004) mit freundlicher Genehmigung der notamed Verlag GmbH
Literatur in
Mehnert, H.: Typ 2 Diabetes. 3. Auflage. Medikon-Verlag München, 2002
Mehnert, H., Standl, E., Usadel, K.H., Häring, H.U.: Diabetologie in Klinik und Praxis. 5. Auflage. Georg Thieme Verlag Stuttgart New York, 2003
Dieser Beitrag wurde zuletzt im November 2004 aktualisiert