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    Die Krustenechse bietet uns ein potentes Antidiabetikum an: Exenatide
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    Themenspezial

    Die Krustenechse bietet uns ein potentes Antidiabetikum an: Exenatide

    Seit 100 Jahren weiß man, dass vom Darm nach dem Essen Botenstoffe ausgesandt werden. Diese sind daran beteiligt, die Blutzuckerregulation zu unterstützen. Mit der Einführung moderner Messverfahren (Radioimmunoassays) für Insulin, Glucagon und verschiedene Darmhormone stellte man in den 60er und 70er Jahren des letzten Jahrhundert fest, dass die Freisetzung von Darmhormonen ganz erheblich zur Glukosetoleranz beiträgt. Außerdem wurde nachgewiesen, dass diese Regulation bei Menschen mit Typ 2 Diabetes mellitus gestört ist. So versuchte man, durch Infusion von unterschiedlichen, gereinigten Darmhormonen den Blutzucker abzusenken.

    Krustenechse 
    Das zufällig im Speichel der nord-
    amerikanischen Krustenechse ent-
    deckte Hormon Exendin-4 führte
    zur Entwicklung eines neuartigen
    Antidiabetikums

    Das Hormon Glukagon-like Peptide 1 (GLP-1) war hier besonders gut wirksam. Es steigert in Abhängigkeit vom Blutglukosespiegel die Insulinfreisetzung vom Pankreas – Unterzuckerungen traten nicht auf. Es hemmte die Freisetzung des Insulingegenspielers Glukagon aus dem Pankreas, was als Konsequenz hat, dass aus dem Stärkevorrat der Leber nicht mehr zuviel Zucker abgegeben werden kann. Es synchronisiert die Magenentleerung zu den Blutzuckerspiegeln – eine Bremsung des Nachschubs in den Darm, wenn der Glukosespiegel hoch ist. Diese „Zuckerbremse“ ist bei Menschen mit erhöhtem Blutglukosespiegeln gestört. Außerdem vermindert GLP-1 den Appetit, was in längeren Studien zur Gewichtsabnahme führte.

    Intensiv wurde jahrelang daran geforscht, diese interessanten Wirkungen für die Diabetestherapie nutzbar zu machen. Ein Nachteil des natürlich vorkommenden GLP-1 ist seine ganz geringe Stabilität im Blutkreislauf. Dort gibt es Enzyme, die das Peptidhormon in wenigen Minuten zerstören. Darum musste es in allen Studien entweder fortlaufend durch die Vene infundiert oder ständig unter die Haut durch kleine Pumpen gespritzt werden – teure und praktisch nicht anwendbare Wege. Anfang der 90er Jahre entdeckten mein Bruder Rüdiger Göke und ich in Marburg, dass das Hormon Exendin-4 aus dem Gefit der Krustenechse Heloderma suspectum eine superwirksame Verbindung am GLP-1 Rezeptor ist, der Zielstruktur für die natürliche Hormonwirkung. Exendin-4 war kurz zuvor von dem New Yorker Endokrinologen John Eng beschrieben worden. Er vermutete eine Wirkung am exokrinen Pankreas, dem Teil der Drüse, der den Bauchspeichel herstellt. Durch spielerischen Austausch endständiger Aminosäuren hat uns die Natur eine Substanz geliefert, die so wirkt wie das menschliche GLP-1, aber viel stabiler ist und darum von praktischem Belang für Diabetestherapie sein kann.

    Inzwischen belegen die notwendigen Studien, dass Exenatide, das künstlich hergestellte Äquivalent von Exendin-4, über einen Pen zweimal am Tag unter die Haut injiziert, gut bei Typ 2 Diabetes mellitus wirkt. Die Ergebnisse haben in den USA bereits zur Zulassung durch die Food & Drugs Adminstration (FDA) geführt und die Markteinführung ist bereits erfolgt. In Europa wird die Firma Lilly gemeinsam mit Amylin Inc. voraussichtlich im Frühjahr 2007 das neue Medikament einführen.

    Außergewöhnlich ist das Profil von Exenatide: es senkt den Blutzucker durch Aktivierung aller beim Menschen beobachteten GLP-1 Effekte und führt zudem zu einer deutlichen Gewichtsabnahme. Es wirkt früh und spät im Verlauf der Diabeteserkrankung, bei Alleingabe und in Verbindung mit allen anderen Therapeutika. Um vom Injizieren wegzukommen, wird zudem intensiv geforscht, ob die Hemmung der GLP-1 abbauenden Enzyme nicht zu einer verbesserten Stabilität des natürlichen Hormons führt und therapeutisch nutzbar ist. Vielleicht kann man dann auch durch Tabletteneinnahme ausnutzen, dass der Darm nach dem Essen mit dem restlichen Körper spricht.


    Prof. Dr. med. Burkhard Göke,
    Direktor der Medizinischen Klinik und Poliklinik II
    Ludwig Maximilians Universität München
    Klinikum Großhadern der LMU

    Erstellt: März 2006

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