Neue Methode um die Betazellmasse zu bestimmen
(21.06.2006) Menschen mit einem Typ 1 Diabetes können wenig oder gar kein eigenes Insulin herstellen: Die Betroffenen müssen sich lebenslang Insulin spritzen. Der Grund hierfür ist, dass die Betazellen der Bauchspeicheldrüse, die das Insulin produzieren, zerstört wurden. Auch beim Typ 2 Diabetes, der aus anderen Ursachen entsteht, kann der Anteil der funktionstüchtigen Betazellen im Laufe der Zeit soweit abnehmen, dass eine Behandlung mit Insulin notwendig wird.
In den Langerhans-Inseln der Bauchspeichdrüse liegen auch die insulinproduzierenden Betazellen
Die Menge der noch vorhandenen insulinherstellenden Betazellen erlaubt umgekehrt wichtige Rückschlüsse auf das Stadium und den Verlauf einer Diabeteserkrankung. Das Problem: Bisher stehen keine Methoden zur Verfügung, um die Masse der funktionstüchtigen Betazellen auf direktem Weg zu bestimmen. Auch eine Gewebeentnahme (Biopsie) aus der Bauchspeicheldrüse ist im Normalfall nicht möglich, da das Organ tief im Bauchraum – zwischen Hinterwand der Bauchhöhle und Wirbelsäule – liegt und daher kaum zugänglich ist.
Wissenschaftler aus den USA haben jetzt möglicherweise erstmals eine Technik entdeckt, mit der die Betazellmenge in der Bauchspeicheldrüse tatsächlich direkt und nicht-invasiv gemessen werden kann. Die Forscher vom Columbia University Medical Center führten bei Ratten eine Positronen-Emissions-Tomographie (PET) durch. Die PET ist ein modernes bildgebendes Verfahren der Nuklearmedizin, das bisher vor allem in der Hirndiagnostik zum Einsatz kommt. Dargestellt wird die Verteilung einer radioaktiv markierten Substanz im Organismus. Hierdurch lassen sich nicht nur Organe und Gewebestrukturen abbilden, sondern auch biochemische bzw. Stoffwechselprozesse.
Für die PET-Untersuchung setzten die Wissenschaftler bei den Ratten einen ganz bestimmten radioaktiv markierten Marker ein: die radioaktive Form von DTBZ (Dihydrotetrabenazine). DTBZ bindet direkt an das Protein VMAT2, das die Forscher sowohl im zentralen Nervensystem als auch in Betazellen nachweisen konnten. Über die Bindung des radioaktiv markierten Markers werden die insulinherstellenden Zellen sichtbar gemacht, so dass sich die Gesamt-Betazellmasse relativ genau und einfach bestimmen lässt.
Die Studiengruppe um den Studienleiter Paul E. Harris will in einem nächsten Schritt das PET-Verfahren zur Betazellmessung erstmals beim Menschen prüfen. Der Start ist bereits für die nächsten Wochen geplant. Am Naomie Berrie Diabetes Center der Columbia University werden dann Personen ohne Diabeteserkrankung und Patienten mit einem Typ 1 Diabetes untersucht, um weitere Erkenntnisse über die funktionstüchtige Betazellmasse zu erhalten. Sollte sich das Verfahren auch beim Menschen als praktikabel erweisen, könnten sich für die zukünftige Diabetes-Diagnostik ganz neue Möglichkeiten ergeben: Denkbar wäre zum Beispiel die Entwicklung eines Modells, mit dem sich das Risiko einer späteren Diabeteserkrankung vorhersagen lässt. Auf jeden Fall würde eine direkte Bestimmung der Betazellmasse helfen, genauere Aussagen zum Krankheitsverlauf und zum Therapieerfolg zu erhalten.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Souza F, Simpson N, Raffo A. Longitudinal noninvasive PET-based beta cell mass estimates in a spontaneous diabetes rat model. J Clin Invest 2006; 116: 1506-1513 |