Neues Gerät für das Diabetes-Screening entwickelt
(17.07.2006) Eine Diabetes-Gefährdung sollte so früh wie möglich erkannt werden. Nur so lassen sich rechtzeitig geeignete Maßnahmen ergreifen und gefährliche Folgekomplikationen verhindern. Die bisherigen Möglichkeiten zur Diabetes-Früherkennung funktionieren allerdings oft nur unzureichend: Nicht umsonst wird die Dunkelziffer der unerkannten Diabetes-Fälle auf 50 Prozent geschätzt. Häufig wird die Diabetes-Erkrankung erst festgestellt, wenn die Blutzuckerwerte schon seit mehreren Jahren erhöht und bereits erste Folgeschäden aufgetreten sind.
"Verzuckerte" Eiweiße tragen bei zu in der Gefäßwand entstehender Arteriosklerose Foto: DAK
Auf der diesjährigen Jahrestagung der American Diabetes Association (ADA) stellten Wissenschaftler von der University of Mexiko eine neue Methode für das Diabetes-Screening vor. Das neue Verfahren misst einen bestimmten Biomarker in der Haut mit Hilfe der Fluoreszenz-Spektroskopie – eine Technologie, bei der die spektrale Verteilung der Fluoreszenz bei verschiedenen Wellenlängen des Anregungslichts bestimmt wird.
In der Vergangenheit wurde immer wieder versucht, über photometrische Verfahren den Zuckergehalt in der Haut zu bestimmen und hieraus Rückschlüsse auf das Diabetes-Risiko zu ziehen. Ein praxistaugliches und zuverlässiges Messgerät auf der Grundlage dieses Prinzips konnte bisher aber nicht entwickelt werden. Bei den Wissenschaftlern aus Mexiko steht ein ganz anderer Biomarker im Vordergrund: Gemessen wird der Gehalt an sogenannten AGEs in der Haut. AGEs (Advanced Glycation Endproducts oder übersetzt: fortgeschrittene Glykierungs-Endprodukte) sind „verzuckerte“ Proteine, die auf der Grundlage einer nicht-enzymatischen Reaktion von Zuckern mit Eiweißen entstehen. Sie hängen eng mit dem Diabetes zusammen und gelten als aussagekräftiges Maß für die kumulativen Diabetes-Schäden im Körper. AGEs sind wesentlich an der Ausbildung von Diabetes-Folgeerkrankungen und Gefäßschäden beteiligt und beeinflussen unter anderem das Herz-Kreislaufrisiko: Die „verzuckerten“ Proteine binden an die Zellen der Gefäßwand, wo sie entzündliche Prozesse fördern und so zum Forschreiten der Arteriosklerose (Gefäßverkalkung) beitragen.
Bisher konnte der AGE-Gehalt in der Haut nur anhand einer Biopsie (Gewebeentnahme) bestimmt werden – eine für den Patienten eher unangenehme und für die Praxisroutine wenig geeignete Methode. Die Forscher aus Mexiko haben ein Gerät (VeraLight Scout) entwickelt, das den Gehalt von AGEs in der Haut mit Hilfe der erwähnten Fluoreszenz-Spektroskopie misst: Licht in verschiedenen Wellenlängen wird ausgesandt und anschließend die in der Haut erzeugte Fluoreszenz bestimmt, die auf der Anwesenheit von AGEs beruht. Dabei werden auch Veränderungen der Hautpigmentation (z. B. durch Sonnen- oder Solariumsbräune) erfasst und bei der Ergebnis-Berechnung berücksichtigt. Die Messung erfolgt an der Innenseite des Unterarms und dauert etwa eine Minute. Im Gegensatz zur Zuckermessung muss der Patient für die Untersuchung nicht nüchtern bleiben und die Messung verläuft nicht-invasiv, d. h. ein „Pieksen“ ist nicht notwendig.
In einer Studie mit 328 Diabetes-gefährdeten Personen (Alter: 21 bis 88 Jahre) verglichen die Wissenschaftler die Ergebnisse der Fluoreszenz-Messung mit den Werten der „klassischen“ Nüchtern-Blutzuckermessung. Anschließend unterzogen sich alle Studienteilnehmer einem Glukosebelastungstest, um zu prüfen, ob tatsächlich ein Diabetes-Vorstadium vorliegt. Das Ergebnis: Anhand der Nüchtern-Blutzuckermessung (Referenzwert: 100 mg/dl) wurden 57,5 Prozent der Betroffenen mit gestörtem Zuckerstoffwechsel richtig erfasst. Die Spezifität (= Anteil der richtig erkannten Gesunden) betrug 78 Prozent. Mit Hilfe der Fluoreszenzmessung konnten bei gleicher Spezifität 68,9 Prozent der Patienten mit einem Diabetes-Vorstadium richtig erfasst werden: Dies sind deutlich mehr als bei der Messung des Nüchtern-Blutzuckers.
Ein neues Verfahren für das Diabetes-Screening ist die Bestimmung von AGEs in der Haut mit Hilfe der Fluoreszenz-Spektroskopie. Diese Methode ist schmerzfrei und erlaubt im Vergleich zur Nüchtern-Blutzuckermessung vermutlich eine noch präzisere Aussage zur Diabetes-Gefährdung. Ob das neue Verfahren für einen breiten Einsatz in der Praxis geeignet ist, müssen größere Untersuchungen noch bestätigen.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Presented at the 66th Annual Scientific Sessions of the American Diabetes Association (ADA), 09.-13. Juni 2006 in Washington, DC |