EMEA empfiehlt, die Zulassung für Rimonabant (Acomplia®) ruhen zu lassen
(28.10.2008) Die Europäische Arzneimittelbehörde (EMEA) hat nach einer intensiven Diskussion um das Nutzen-Risiko-Verhältnis empfohlen, die EU-Zulassung für den Appetitzügler Acomplia® (Wirkstoff: Rimonabant) ruhen zu lassen. Grund ist die Häufung psychiatrischer Nebenwirkungen wie Depressionen und Angst. Über die Empfehlung muss die Europäische Kommission nun eine endgültige Entscheidung treffen. Bis dahin wird von weiteren Verordnungen des Medikaments abgeraten.
Acomplia® ist ein Medikament, das zusätzlich zu Diät und Bewegung die Gewichtsabnahme unterstützt. Der enthaltene Wirkstoff Rimonabant blockiert einen bestimmten Cannabinoid-Rezeptor im Gehirn, der an der Kontrolle der Nahrungsaufnahme beteiligt ist. Rimonabant wirkt hier als Appetitzügler. Darüber hinaus konnten für das Medikament günstige Wirkungen auf die Blutfette und den Blutzuckerspiegel gezeigt werden.
Seit Juni 2006 ist Acomplia® in den Ländern der Europäischen Union (EU) zugelassen. Bereits damals war das mögliche Auftreten psychiatrischer Nebenwirkungen bekannt und wurde deshalb auch als Warnhinweis in die Fach- und Gebrauchsinformation aufgenommen. Nach einer zunehmenden Zahl von Einzelfallberichten mit zum Teil schweren Depressionen wurde der Einsatz des Medikaments im Jahr 2007 eingeschränkt: Seither durfte der Appetitzügler nur noch verordnet werden, wenn keine depressiven Störungen vorlagen und auch keine antidepressiven Medikamente eingenommen wurden. Allerdings ist eine Depression oder die Veranlagung hierzu oft nicht diagnostiziert und daher auch nicht bekannt – insofern kann der Einsatz des Appetitzüglers generell problematisch sein. Um das Risiko zu kontrollieren, war der Hersteller des Medikaments aufgefordert, weitere klinische und Postzulassungs-Studien durchzuführen.
Der beratende Arzneimittelausschuss (CHMP) der EMEA ist vom 20.-23. Oktober 2008 zusammengekommen, um die neuen Daten zu diskutieren. Dabei bestätigte sich, dass das Risiko für eine psychiatrische Erkrankung unter Acomplia® nahezu verdoppelt ist. Der CHMP äußerte Bedenken, dass Depressionen zu Selbstmordgedanken oder zu Selbstmordversuchen führen können. Außerdem hat der Praxisalltag gezeigt, dass viele Patienten das Medikament nur für eine kurze Zeit einnehmen, so dass die günstigen Wirkungen nicht ausreichend zum Tragen kommen. Das aktuelle Nutzen-Risiko-Verhältnis wird daher vom CHMP negativ beurteilt. Dies hat jetzt zur Empfehlung geführt, die Zulassung für das Medikament ruhen zu lassen. Die Europäische Kommission wird hierüber in Kürze eine verbindliche Entscheidung treffen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) fordert die Ärzte auf, vorerst keine weiteren Verordnungen für Acomplia® vorzunehmen. Patienten, die gegenwärtig Acomplia® einnehmen, sollten ihren behandelnden Arzt um Rat fragen, ob und wie eine Behandlung zur Verringerung eines ernährungsbedingten Übergewichts fortgeführt werden soll. Es ist aber nicht notwendig, das Arzneimittel sofort abzusetzen. Der Hersteller, Sanofi-Aventis, hat bereits reagiert und in einer Pressemitteilung angekündigt, den Verkauf des Appetitzüglers (vorerst) einzustellen. Das Unternehmen gab bekannt, dass es in der Zukunft noch weitere Daten für die Neubewertung des Nutzen-Risikoprofils von Acomplia® zur Verfügung stellen will.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin von Diabetes-Deutschland.de, Deutsches Diabetes-Zentrum an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quellen: 1. European Medicines Agency (EMEA) Press Release, 23. October 2008; Doc. Ref. EMEA/CHMP/537777/2008; http://www.emea.europa.eu 2. Pressemitteilung Sanofi-Aventis, 23. Oktober 2008; http://www.sanofi-aventis.de 3. Rote-Hand-Brief Acomplia®; www.bfarm.de |