Bewusste Ernährung
Mit einer ausgewogenen Ernährung fördern schwangere Diabetikerinnen ihre Gesundheit und die des heranwachsenden Babys.
Diabetikerinnen können sich bereits vor Planung ihrer Schwangerschaft durch eine Optimierung ihrer Stoffwechselwerte auf ein gesundes Kind vorbereiten. Auch während der Schwangerschaft ist die möglichst normnahe Blutzuckereinstellung eine wichtige Voraussetzung für einen komplikationslosen Verlauf der neun Schwangerschaftsmonate und die Gesundheit des erwarteten Babys. Blutzuckerwerte nüchtern von 60 bis 90 mg/dl (3,3 bis 5,0 mmol/1) und nach den Mahlzeiten von weniger als 120 mg/dl (6, 7 mmol/1) sollten vor und während der Schwangerschaft angestrebt werden. Diese Werte liegen also noch unterhalb der sonst gültigen Zielwerte. Deshalb ist in der Regel eine intensivierte Insulintherapie oder die Behandlung mit einer Insulinpumpe erforderlich. Eine hochwertige Ernährung in der Schwangerschaft ist eine weitere wichtige Voraussetzung für ein gesundes Kind.
Der Insulinbedarf ändert sich
Im ersten Schwangerschaftsdrittel verändert sich die Ausschüttung vieler Hormone. Einige von ihnen haben eine Wirkung, die dem Insulin entgegengesetzt ist. Einerseits steigt der Insulinbedarf in dieser Phase der Schwangerschaft an, andererseits sind schwangere Diabetikerinnen besonders anfällig für Unterzuckerungen. Das ist vor allem dann der Fall, wenn Frauen zu Beginn der Schwangerschaft mit Übelkeit und Erbrechen kämpfen und dadurch Probleme haben, regelmäßig Nahrung zu sich zu nehmen.
Im zweiten Drittel der Schwangerschaft lassen Kohlenhydrate den Blutzucker manchmal stärker ansteigen, so dass zusätzliches Insulin benötigt wird. Im gesamten Verlauf der Schwangerschaft sind Schwankungen des Blutzuckerspiegels und der Insulinempfindlichkeit möglich. Häufigere Blutzuckerselbstkontrollen helfen, den Überblick zu behalten und gegebenenfalls die Insulindosis beziehungsweise die Nahrung anzupassen.
Während der Geburt sinkt der Blutzuckerspiegel meist rasch, bedingt durch die starken Kontraktionen der Wehen, die viel Energie verbrauchen. Sobald auch die Plazenta, der Mutterkuchen, abgestoßen wird, verringert sich der Insulinbedarf drastisch, da nun die von der Plazenta produzierten Hormone wegfallen, die dem Insulin entgegengewirkt haben. Einige Frauen benötigen kurz nach der Geburt deutlich weniger Insulin als im nicht schwangeren Zustand. Nach wenigen Wochen stabilisieren sich aber meist die Stoffwechselwerte im Rahmen des Gewohnten.
Was essen in der Schwangerschaft?
Die Basis für die Gesundheit der Frau und einen günstigen Schwangerschaftsverlauf ist eine hochwertige, abwechslungsreiche Ernährung mit frischem Gemüse, Obst, Getreide, Vollkornprodukten, Milch, Fisch und Fleisch. Die Empfehlungen für die Nährstoffzufuhr entsprechen denen, die auch außerhalb der Schwangerschaft gelten: Etwa 20 Prozent der täglichen Kalorien sollten aus Eiweiß gedeckt werden, zirka 30 Prozent aus Fett (unter Verwendung von Ölsorten mit einfach und mehrfach ungesättigten Fettsäuren) und der Rest der täglichen Energiemenge, also rund 50 Prozent, aus kohlenhydrathaltigen Lebensmitteln, die auch Ballaststoffe enthalten. Im ersten Schwangerschaftsdrittel besteht noch kein Mehrbedarf an Nahrstoffen. Bei Normalgewicht können Sie die übliche Energiezufuhr beibehalten. Meist sind das rund 25 bis 35 Kalorien pro Kilogramm des Normgewichts. Erst ab dem vierten Schwangerschaftsmonat werden täglich gut 250 Kilokalorien zusätzlich benötigt, während der Stillphase sind es etwa 630 Kilokalorien. In der Schwangerschaft sollte die Gewichtszunahme nicht mehr als sechs bis zwölf Kilogramm betragen. Dabei gilt die Regel, dass Übergewichtige weniger zunehmen sollten als Frauen mit Normalgewicht. Keinesfalls sollten Übergewichtige versuchen, während der Schwangerschaft abzunehmen. Die tägliche Energiezufuhr darf 1 600 Kilokalorien nicht unterschreiten, da sonst die Gefahr einer Mangelernährung für das Kind besteht. Die normale Gewichtszunahme bei einer Schwangeren sehen Sie hier:
Gewichtzunahme in der Schwangerschaft |
Das Mehrgewicht von 11000g setzt sich zusammen aus: |
3300 g |
Kind |
900 g |
Gebärmutter |
650 g |
Nachgeburt |
800 g |
Fruchtwasser |
400 g |
Brüste |
1250 g |
Blutvolumen |
2000 g |
Gewebswasser |
1700 g |
Depotfett |
Ab dem vierten Monat wird von den in der Tabelle unten aufgeführten Nährstoffen mehr benötigt. Zusatzbedarf besteht auch an den Vitaminen Bl (Thiamin), B6 (Pyridoxin) und B12 (Cobalamin), aber meist gut decken lässt, da diese Vitamine in vielen Nahrungsmitteln des täglichen Verzehrs enthalten sind, zum Beispiel in Fleisch, Fisch, Milch und Vollkornprodukten. Ein Engpass kann dagegen in der Magnesiumversorgung auftreten. Sollte es zu Muskelkrämpfen kommen, wovon Schwangere öfter berichten, dann kann die Gabe von Magnesiumpräparaten sinnvoll sein. Dies sollte aber mit dem Arzt besprochen werden.
ÜBERSICHT |
Von diesen Nährstoffen brauchen Sie mehr |
|
Eiweiß (g/Tag)* |
Kalzium (mg/Tag) |
Eisen (mg/Tag) |
Jod (µg/Tag) |
Folsäure(µg/Tag) |
Schwangere ab 4. Monat |
ca. 58 |
1300 |
30 |
230 |
600 |
Stillende |
ca. 63 |
1300 |
20 |
260 |
600 |
Tagesbedarf für Schwangere und Stillende zum Beispiel erhalten in |
250ml Milch +150g Quark +60g Käse +200g Kartoffeln +60g gekochter Schinken |
250ml Milch +150ml Joghurt +150g Quark +60g Käse +250g Brokkoli |
200g mageres Fleisch +200g Vollkornbrot +100g Hülsenfrüchte +250g Spinat |
150g Seefisch +Jodsalz und damit gewürzte Produkte |
200g Feldsalat +100g rote Paprika +100g Tomaten +30g Weizenkeime +250ml Orangensaft |
* der Eiweißbedarf ist abhängig vom Körpergewicht. Er beträgt während der Schwangerschaft 1,2 g Eiweiß pro Kilogramm Körpergewicht, während der Stillzeit 2,0 g pro Kilogramm Körpergewicht. |
Mehr Folsäure und Eisen
Im Allgemeinen können die in der Schwangerschaft benötigten Vitamine und Mineralstoffe durch Gemüse zugeführt werden. Der gesteigerte Bedarf an Folsäure lässt sich so aber nur schwer decken, so dass die Einnahme eines Folsäurepräparats schon bei einer geplanten Schwangerschaft erforderlich werden kann. Ähnliches gilt auch für die Eisenzufuhr. Dies und ob für Sie weitere Vitamine und Mineralstoffe erforderlich sind, besprechen Sie am besten mit Ihrem Arzt. Denn eine eigenmächtige und überhöhte Aufnahme ist nicht zu empfehlen.
Eiweiß (Protein) ist von besonderer Bedeutung für den Körper. Denn es ist Bestandteil jeder Zelle, unterliegt dabei aber einem kontinuierlichen Auf- und Umbau. In der Schwangerschaft sind diese Prozesse beschleunigt, und es wird vermehrt Eiweiß benötigt für das Wachstum des ungeborenen Kindes. Gute Quellen für hochwertiges Eiweiß sind zum Beispiel fettarme Milch und Milchprodukte, mageres Fleisch und Fisch, aber auch Getreideprodukte und Hülsenfrüchte.
Milch liefert neben Protein auch Kalzium, das für den Aufbau des kindlichen Skeletts benötigt wird. Ein halber Liter enthält 600 Milligramm Kalzium und deckt die Hälfte des Tagesbedarfs.
Wichtig für die Entwicklung des Kindes und die Gesundheit der Schwangeren ist auch die Versorgung mit Jod. Jod kommt in Seefisch wie Seelachs, Schellfisch und Kabeljau vor, der ein- bis zweimal pro Woche gegessen werden sollte. Auch Mineralwässer, die einen natürlichen Jodgehalt aufweisen, können zur Versorgung beitragen. Jodsalz und damit gewürzte Produkte sind ebenfalls eine wichtige Quelle für Jod. Jedoch sollten täglich nicht mehr als insgesamt sechs Gramm Salz verwendet werden. Dies gilt vor allem bei Wassereinlagerung im Körper und/oder hohem Blutdruck, was bei einigen Schwangeren ein Problem sein kann.
In der Regel sollten in der Schwangerschaft mindestens eineinhalb bis zwei Liter Flüssigkeit pro Tag getrunken werden. Kalorienfreie Getränke wie Mineralwässer und ungesüßte Früchte und Kräutertees sind ideal. Bei den kalorienfreien Süßstoffen sollte Aspartam als Naturprodukt bevorzugt werden. Halten Sie sich bei schwarzem Tee, Kaffee und Cola zurück, denn Koffein fördert die Wasserausscheidung, verschlechtert die Eisenaufnahme und wird in Zusammenhang mit einem verminderten Geburtsgewicht gebracht. Mehr als zwei bis drei Tassen täglich sollten es deshalb nicht sein. Verzichten Sie auf alkoholische Getränke in der Schwangerschaft. Sie können die Entwicklung des Kindes gefährden.
Hungerphasen vermeiden
Das gilt auch für längere Hungerphasen. Denn wenn durch Kohlenhydratmangel Körperfett mobilisiert wird, entstehen Ketonkörper, und im Urin lässt sich Azeton nachweisen. Zu unbeabsichtigten Hungerphasen und Unterzuckerungen kommt es oft zu Beginn der Schwangerschaft bei Diabetikerinnen, die wegen morgendlicher Übelkeit Probleme haben zu frühstücken. Hier kann es helfen, Vollkornkekse oder Ähnliches bereitzuhalten. Nach dem Aufwachen verzehrt, kann die Übelkeit oft gemildert und eine Unterzuckerung vermieden werden.
Verteilen Sie die kohlenhydrathaltigen Mahlzeiten gut über den Tag, um einen möglichst ausgeglichenen Blutzuckerspiegel zu erreichen. Versuchen Sie, alle zwei bis vier Stunden eine Kleinigkeit zu essen. Wichtig ist auch die Spätmahlzeit vor der Nachtruhe. Mit einem ballaststoffreichen Imbiss, zum Beispiel einem Vollkornbrot, können nächtliche Unterzuckerungen bei Insulinbehandlung vermieden werden.
Diplom-Ökotrophologin Sabine Tiepolt und Dr. med. Monika Toeller, Ernährungs-Team der Deutschen Diabetes-Klinik am Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut in Düsseldorf
aus: Diabetiker-Ratgeber 2/2002
Redaktion: Prof. Dr. med. W. A. Scherbaum, Dr. med. M. Stapperfend