Die Therapie des Diabetes ist eine lebenslange Aufgabe und erfordert von Ihnen tagtägliche Bemühungen, sich um den eigenen Diabetes zu kümmern. Das Ziel dieser Anstrengungen ist auch klar: Sie wollen Ihre Gesundheit erhalten. Mit einfachen Kniffen können Sie diese Bemühungen unterstützen.
Die Gesundheit zu erhalten — das wird von den meisten Menschen als das wichtigste Lebensziel angegeben. Man könnte meinen, daß ein wichtiges Ziel Menschen auch motivieren sollte, viel dafür zu tun, um dieses Ziel zu erreichen. Sie alle wissen, daß dem nicht automatisch so ist.
Raucher hören nicht auf zu rauchen...
Übergewichtige stellen meist nicht ihre Lebensweise um — auch nicht durch die Prophezeiung, daß sie ein erhöhtes Risiko haben, später an einem Typ 2 Diabetes zu erkranken. Raucher hören nicht auf zu rauchen, obwohl sie über das Krebsrisiko genau Bescheid wissen; und Menschen, die zu viel Streß haben, verändern nicht plötzlich ihr Leben, um mehr Zeit für sich und ihre Gesundheit zu haben. Wahrscheinlich kennen Sie aus eigener Erfahrung, daß Sie irgendwann die Behandlung Ihres Diabetes schleifen ließen und sich nicht konsequent um eine gute Einstellung bemüht haben - rotz des Wissens um die schädlichen Folgen eines erhöhten Blutzuckers.
Motivation muß von innen kommen!
Es liegt also weniger an dem Wissen um gewisse Gesundheitsriken als an der inneren Bereitschaft, auch viel dafür zu tun, um die Risiken zu minimieren Auf die innere Einstellung kommt es an! Viel zu lange hat man auch in der Diabetestherapie darauf vertraut, Sie ausführlich auf die schädlichen Langzeitfolgen einer schlechten Diabetesenstellung hinzuweisen; oder man hat versucht, Sie mit drastischen Bildern oder Berichten von Folgeerkrankungen zu motivieren, sich möglichst gut um Ihre Diabeteseinstellung zu bemühen. Vielleicht erinnern Sie sich auch an den einen oder anderen Vortrag im Rahmen Ihrer Diabetesschulung, in dem Bilder von schlimmen Fußverletzungen gezeigt wurden, von nicht schön anzusehenden Hautveränderungen oder von drastischen Veränderungen des Augenhintergrundes...
Schlimme Bilder: ein schlechter Weg
...ein schlechter Weg, um langfristig eine positive Einstellung zum Diabetes zu bekommen: Das bestätigen Fachleute, die sich mit Fragen der Motivation beschäftigen; denn eine negative Motivation — sich anzustrengen, um einen möglichen negativen Zustand zu vermeiden — ist fast immer schlechter als eine positive Motivation. Letzteres meint, daß Sie sich anstrengen, um ein für Sie positiv besetztes Ziel zu erreichen.
Positive Motivation
Wie können Sie eine positive Motivation erlangen? Indem Sie Ziele für sich herausfinden, wofür es sich lohnt, sich anzustrengen. Die Motivation muß von Ihnen aus dem Inneren kommen, sie läßt sich nicht von außen aufpfropfen. Eine moderne Schulung hat daher das Ziel, Sie anzuregen, über eigene Ziele nachzudenken und Ihnen eine Unterstützung zu geben, wie Sie Ihre Diabetestherapie so gestalten können, daß Sie Ihre eigenen Lebensziele mit und trotz Diabetes erreichen können. Eine erfolgreiche Diabetestherapie kann man auf die einfache Formel bringen:
Eigene Fertigkeiten im Umgang mit dem Diabetes
- positive Motivation zur Selbsttherapie
- gute Unterstützung, professionelle Betreuung durch das Diabetesteam
- Unterstützung im persönlichen Umfeld bei gleichzeitig wenig äußeren Hindernissen
= gute Blutzuckereinstellung |
Motivationsprobleme sind normal
Klar ist auch, daß es bei allen Dingen im Leben, um die Sie sich tagaus, tagein bemühen müssen, die Motivation irgendwann einmal nachläßt: Im Laufe der Zeit treten Ermüdung oder Erschöpfung auf. Das geht Spitzensportlern, die jeden Tag trainieren, genauso wie Berufspolitikern, Lehrern, Erziehern oder Altenpflegern — der Diabetes macht hier keine Ausnahme: Kein Mensch kann sich immer gleich gut um den eigenen Diabetes kümmern. Es ist normal, daß Sie manchmal über den Diabetes gefrustet und genervt sind und in der Phantasie am liebsten alles hinschmeißen oder wenigstens ein wenig Urlaub vom Diabetes nehmen möchten.
Erkennen Sie Motivationsfallen
Nehmen Sie daher gelegentliche Zeiten, in denen Sie sich nicht ganz so genau um Ihren Diabetes bemühen, nicht zu tragisch — das passiert einfach und gehört zum Leben. Nicht ganz so locker sollten Sie aber an die Sache herangehen, wenn Sie das Gefühl haben, daß diese Phasen sehr oft auftreten. Oder wenn diese Gefühle des Ärgers, Frusts oder der Überforderung durch die Therapie den Umgang mit Ihrem Diabetes sehr prägen. Dann sollten Sie viel eher innehalten und sich genauer überlegen, woher diese Gefühle kommen.
Welche Ursachen erkennen Sie?
Klar ist, dass die Motivation irgendwann nachläßt: man ist ermüdet und erschöpft.Von Ihrer Selbstkontrolle sind Sie es gewohnt, Zusammenhänge zwischen den gemessenen Werten zu erkennen und daraus geeignete Gegenmaßnahmen zu entwickeln. Wahrscheinlich würden Sie sich bei einer Insulintherapie nach mehreren Tagen mit erhöhten Nüchtern-Blutzuckerwerten überlegen, ob Sie die nächtliche Insulindosierung Ihres Basalinsulins nicht verändern sollten. Es macht Sinn, sich eine Zeitlang selbst zu beobachten, um herauszufinden, welche Gründe für Ihre Motivationsprobleme verantwortlich sein könnten. Dabei könnten Sie sich folgende Fragen stellen:
- Liegt es möglicherweise daran, daß meine Fertigkeiten nicht ausreichen und ich noch einmal eine Diabetesschulung besuchen sollte?
- Werde ich durch meinen Arzt oder das Diabetesteam zu wenig unterstützt?
- Bin ich mit der momentanen Therapieform zufrieden?
- Habe ich Schwierigkeiten, den Diabetes zu akzeptieren?
- Gibt es in meinem Leben irgendwelche Hindernisse, die den Umgang mit dem Diabetes erschweren?
- Habe ich psychische Probleme, die die Durchführung meiner Diabetestherapie beeinträchtigen?
- Fällt es mir momentan schwer, meine persönliche Lebensziele zu bestimmen?
- Nehme ich mir genügend Zeit für meine Diabetestherapie?
Sind Ihre Ziele zu hoch gesteckt?
Paradoxerweise kann auch eine Übermotivierung der Grund dafür sein, daß Motivationsprobleme auftreten. Sind Ihre Ziele zu hoch gesteckt, so treten Erfolgserlebnisse sehr selten, Mißerfolgserlebnisse dafür um so häufiger auf. Wenn Sie beispielsweise das Ziel verfolgen, auf keinen Fall einen Unterzucker zu bekommen, gleichzeitig aber keine Blutzuckerwerte über 180 mg/dl (10 mmol/l) akzeptieren möchten, können Sie sicher sein, daß Sie oft über Ihre Werte frustriert sein werden.
Auch der Anspruch, für jeden erhöhten Blutzuckerwert eine plausible Erklärung zu finden, wird an der Realität oft scheitern, da nicht alle Blutzuckerschwankungen logisch nachzuvollziehen sind.
Richtig handeln: praktische Hilfe
Haben Sie erkannt, daß Ihre Motivation zur Diabetestherapie stark nachläßt, sollten Sie rasch handeln: Nehmen Sie sich ernst, und überlegen Sie sich, wie Sie wieder Energie und Motivation auftanken können. Hierzu gibt es keine Patentrezepte, sondern nur Lösungen, die für Sie passen müssen. Und diese müssen Sie selbst für sich herausfinden.
Praktische Hilfestellungen hierfür gibt es zuhauf; Bücher über Motivation haben Hochkonjunktur.
Andere Menschen mit Diabetes können Ihnen hilfreich zur Seite stehen, ebenso kann ein ausführliches, offenes Gespräch mit Ihrem Arzt oder Mitgliedern des Diabetesteams Ihnen helfen. Aber auch ein längerer Urlaub oder eine Auszeit zum Auftanken bewirken manchmal Wunder.
Psychologen: Kostenlose Broschüre und Internet-Adressverzeichnis
Benötigen Sie kompetente Gesprächspartner, so gibt es mittlerweile eine Reihe von Psychologen, die sich auf die Behandlung von Problemen im Zusammenhang mit dem Diabetes spezialisiert haben. Sie können sie an der Zusatzbezeichnung "Fachpsychologe/in Diabetes DDG" erkennen.
Eine Broschüre mit dem Verzeichnis von Psychologen/Psychotherapeuten, die über besondere Kenntnisse und erfahrungen mit Diabetes verfügen, können Sie kostenlos bei der Arbeitsgemeinschaft "Psychologie und Verhaltensmedizin" anfordern (Briefumschlag mit 1,53 Euro Rückporto)
c.o. Dipl.-Psych. B. Kulzer/Sprecher
Diabetes-Zentrum Mergentheim
Postfach 1243
97962 Mergentheim
Dipl. Psychologe Bernhard Kulzer, Diabetes-Zentrum Mergentheim, Bad Mergentheim
Mitglied des Fachbeirats von www.diabetes-deutschland.de
aus: Diabetes-Journal 11/2001 S. 16-18