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Bin ich depressiv?
Jeder Mensch ist manchmal niedergeschlagen oder depressiv verstimmt. Hält dieser Zustand allerdings länger an, so besteht das Risiko, dass Sie an einer Depression erkrankt sind. Ein nicht so seltener Befund bei Menschen mit Diabetes. In diesem Beitrag erfahren Sie nicht nur einiges über die Erkrankung Depression. Sie können auch mit Hilfe eines einfachen Tests selbst herausfinden, ob Sie davon betroffen sind.
Dr. phil. Dipl. Psych. Bernhard Kulzer
Wahrscheinlich kennen Sie auch das Gefühl, entmutigt zu sein, alles „grau in grau“ zu sehen und sich auf nichts freuen zu können. Solche vorübergehenden Gemütszustände gehören zu den normalen „Hochs“ und „Tiefs“ des Lebens und sind eine völlig normale Art auf negative Erfahrungen, Verluste, Enttäuschungen oder Belastungen zu reagieren. Erst wenn dieser Zustand der inneren Leere länger andauert, spricht man von einer Depression. Wer daran erkrankt ist, kann sich oft nicht mehr aus eigener Kraft aus der gedrückten Stimmung befreien. Depressionen gehören zu den häufigsten psychischen Erkrankungen in der Bevölkerung und werden in Hinblick auf ihre Schwere und Auswirkungen auf das Leben der Betroffenen oft unterschätzt. Alleine in Deutschland leiden aktuell etwa 5% aller Menschen (ca. 4 Millionen) an einer behandlungsbedürftigen Depression. Bezogen auf die ganze Lebensspanne liegt das Risiko, im Laufe des Lebens an einer Depression zu erkranken, bei etwa 15% bis 20%: Immerhin jeder 4. bis 5. Mensch muss daher also rechnen, mit dieser Erkrankung konfrontiert zu werden. Frauen erkranken zwei- bis dreimal so häufig an einer Depression wie Männer.
Menschen mit Diabetes haben im Vergleich zu Menschen ohne Diabetes ein etwa doppelt so hohes Risiko, an einer Depression zu erkranken. Fachleute sind sich noch nicht ganz im Klaren, ob dies eine Reaktion auf die Erkrankung ist oder depressive Menschen häufiger an Diabetes erkranken. Es sprechen jedoch viele Hinweise dafür, dass die Belastungen aufgrund der Erkrankung ein depressionsfördernder Faktor darstellen. So haben Diabetiker mit Folgekomplikationen öfter Depressionen, und auch häufige schwere Unterzuckerungen erhöhen das Risiko, depressiv zu werden. Depression und Diabetes mellitus können sich wechselseitig verstärken. Auf Belastungen im Umgang mit der Erkrankung (z.B. schwankende Blutzuckerwerte, Folgekomplikationen, Hypoglykämien) können die Betroffenen mit einer Depression reagieren. Auf der anderen Seite erschwert eine depressive Stimmung es den Betroffenen, sich ausreichend um die Erkrankung zu kümmern und eine gute Blutzuckereinstellung zu erreichen. Eine Vielzahl aktueller Studien belegt, dass Diabetiker mit einer Depression im Vergleich zu nicht depressiven Patienten einen schlechtere Blutzuckereinstellung haben und auch über eine schlechtere Lebensqualität klagen.
Die Merkmale einer Depression kommen Ihnen wahrscheinlich bekannt vor: Denn wer hat nicht schon einmal Phasen der Traurigkeit, Niedergeschlagenheit, Energielosigkeit und Antriebslosigkeit erlebt, in denen Sie an sich selbst gezweifelt haben, sich wertlos fühlten, keine Freude mehr empfanden und das Leben wie durch eine graue oder schwarz getönte Brille erlebten. Sicher hatten Sie auch schon einmal Zeiten, in denen Ihnen das Essen nicht recht geschmeckt hat, sie nicht richtig schlafen konnten, innerlich unruhig waren und Schwierigkeiten hatten, Dinge im Leben richtig anzupacken. Als vorübergehende Stimmung sind Zeiten der Niedergeschlagenheit eine eigentlich gesunde Reaktion auf Belastungen oder Verluste im Leben. Ähnlich wie der Schmerz eine Art Warnung vor Gefahren darstellt, sind Phasen der Traurigkeit und Niedergeschlagenheit wichtig, um bestimmte negative Erfahrungen zu verarbeiten und sich neu zu orientieren.
Bei einer depressiven Erkrankung dauern diese Phasen jedoch länger und verkehren sich von ihrem ursprünglichen Sinn ins Gegenteil. Statt Nachzudenken, verfallen depressive Menschen ins Grübeln. Statt Gefühle zuzulassen, die helfen, schwierige Dinge im Leben zu verarbeiten, fühlen sie immer weniger: Die Augen strahlen nicht mehr, das Gesicht wirkt oft versteinert, so dass man an Depression Erkrankten ihr Leid förmlich ansehen kann. Statt sich zu erholen, ermüden Depressive immer mehr. Statt nach Lösungen zu suchen, verstricken sie sich in Schuldvorwürfen, negativen Gedanken und einem Meer der Hoffnungslosigkeit. Und im Unterschied zu Menschen, die einfach traurig sind, lässt sich ein depressiver Mensch nicht von seinen Empfindungen ablenken. Es ist ihm ega,l ob die Sonne scheint oder es regnet, schöne Dinge im Leben passieren oder die eigene Lebensbilanz gar nicht so schlecht ausfällt.
Die Auslöser für eine Depression können gleichermaßen körperliche wie seelische Belastungen sein. Außergewöhnliche Umstände wie Krankheiten, Todesfälle in der Familie, berufliche oder private Sorgen oder andere Probleme können besonders bei labilen Menschen zu Depressionen führen. Eine Depression kann aber auch körperliche Ursachen haben. Wenn im Gehirn bestimmte Botenstoffe aus dem Gleichgewicht geraten, verliert der Betroffene mit der Zeit die Fähigkeit positiv zu denken und Freude und Glück zu empfinden: Ohne besonderen Anlass fallen davon betroffene Menschen plötzlich in ein „depressives Loch“.
Depressionen haben kein einheitliches Erscheinungsbild, da sie sich auf eine sehr unterschiedliche Art und Weise äußern können. Die Diagnose ist nicht ganz so einfach, weil einige Anzeichen auch durch andere körperliche Erkrankungen verursacht werden können. Allerdings gibt es typische Anzeichen einer Depression, die leicht festzustellen sind:
- Traurige Stimmung: Viele Betroffene berichten von einer großen inneren Leere und einem Gefühl der tiefen Niedergeschlagenheit, Mut- und Hoffnungslosigkeit sowie Verzweiflung.
- Verminderte Antriebs- und Entscheidungsfähigkeit: An einer Depression erkrankte Mensch können sich häufig zu nichts entschließen. Sie wägen alles ab, ohne zu einem Ergebnis zu kommen. Selbst einfache Verrichtungen machen große Mühe. Schwierige Dinge werden aufgeschoben und nicht angepackt.
- Stimmungsschwankungen im Laufe des Tages: Oft fällt es depressiven Menschen schwer, den Tag zu beginnen. Morgens ist daher die Stimmung oft schlechter als im Laufe des Tages.
- Denk- und Konzentrationsvermögen: Häufig berichten depressive Menschen von Schwierigkeiten, sich auf etwas zu konzentrieren oder sich in komplizierte Sachverhalte einzudenken. Viele Betroffen berichten, dass es Ihnen schwer fällt, sich von einigen Gedanken zu lösen, über die sie immer wieder grübeln, ohne zu einem Ergebnis zu kommen.
- Schuld- und Minderwertigkeitsgefühle: Oft quälen Schuldvorwürfe, an der Erkrankung selbst schuld zu sein, depressive Menschen. Im Vergleich zu anderen Menschen fühlen sich oft als nicht so wertvoll und wichtig.
- Verlust von Interessen und Freude an Aktivitäten: Dinge, die früher Spaß gemacht haben, werden kaum noch gemacht. Viele Patienten ziehen sich zurück, vermeiden soziale Kontakte und verbringen viel Zeit im Bett oder auf dem Sofa.
- Veränderte Mimik: Die Mimik und Gestik von depressiv Erkrankten ist häufig wie erstarrt, die Stimme leise und monoton, der Händedruck beim Begrüßen schwach.
- Mangelnde Fähigkeit, gefühlsmäßig zu reagieren: Das Erleben von Gefühlen ist stark eingeschränkt. Dies zeigt sich besonders in Situationen, die normalerweise mit starken Gefühlen verbunden sind, wie Glücksmomenten, einem Unfall oder anderen schlimmen Ereignissen.
- Angstgefühle: Depressionen werden sehr häufig von Ängsten begleitet. Dies ist verständlich, da depressive Menschen in dieser Phase viel grübeln, sich Sorgen machen und kein ausgeprägtes Selbstbewusstsein besitzen.
- Schlafstörungen: Ein gestörter Schlaf ist ein typisches Merkmal einer Depression. Dies kann dazu führen, dass depressive Menschen trotz Müdigkeit lange wach liegen und nicht tief schlafen. Andere wachen oft auf und können vor lauter Grübeln schlecht einschlafen. Wieder andere leiden unter einem stark erhöhten Schlafbedürfnis und schlafen wesentlich länger, ohne jedoch davon erholt zu sein. Oft erwachen depressive Menschen zwei oder mehr Stunden vor der gewohnten Zeit. Der mangelnde Antrieb zeigt sich häufig auch im Sexualleben, welches oft eingeschränkt ist und als nicht mehr so wichtig und leidenschaftlich erlebt wird.
- Appetitstörung: Das Essen macht keinen Spaß. Oft nur aus Pflichtbewusstsein gegessen, um nicht abzunehmen. Häufig nehmen Menschen in einer depressiven Phase ab. Aber auch das Gegenteil kann der Fall sein. „Kummerspeck“ sagt der Volksmund zu solchermaßen angegessenen Pfunden.
- Selbstmordgedanken: Gedanken, dem eigenen Leben ein Ende zu setzen, sind ein typisches Anzeichen einer Depression.
Mit der richtigen Therapieform können rund 80% der an einer Depression Erkrankten erfolgreich behandelt werden. Voraussetzung dafür ist jedoch eine frühzeitige Diagnosestellung, die richtige Therapie und die Bereitschaft, sich auf die Behandlung einzulassen. Als wirkungsvoll haben sich Medikamente und Psychotherapie erwiesen. Antidepressiva machen nicht abhängig, es dauert allerdings eine Weile bis die erste Wirkung eintritt. Besonders geeignet für Menschen mit Diabetes sind Medikamente vom Typ der Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer (SSRI). Als wirksamste psychotherapeutische Intervention haben sich in verschiedenen Studien die kognitive Verhaltenstherapie erwiesen. Ziel dieser Therapie ist es, negative Denkweisen und Handlungen zu verändern und gemeinsam mit dem Patienten bessere Strategien zu erarbeiten, mit Stress und belastenden Lebensereignissen umzugehen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Therapie ist jedoch, sich selbst einzugestehen, dass eine Depression vorliegt.
Dr. Dipl. Psych. Bernhard Kulzer, Fachpsychologe Diabetes (DDG), Psychologischer Psychotherapeut, Diabetes-Zentrum Mergentheim, Fachbeirat www.diabetes-deutschland.de
Aktualisiert: Januar 2005 |
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