Überhöhte Insulinspiegel fördern möglicherweise das Alzheimer-Risiko
(05.10.2005) Vor der Diagnose „Alzheimer“ im Alter fürchten sich viele Menschen. Nicht mehr zu wissen, wo man ist, sich an einst vertrauten Orten nicht mehr zurecht zu finden, andere Personen und sogar sich selbst nicht mehr zu kennen und sich an frühere Begebenheiten nicht mehr erinnern zu können – für Betroffene und Angehörige ein ziemliches Horrorszenario. Die Erkrankten leiden unter Denk-, Konzentrations- und Auffassungsstörungen bis hin zur Unfähigkeit, selbst einfache Handlungen ausführen zu können. Typisch sind auch Veränderungen der Persönlichkeit, rasche Stimmungsschwankungen und Depressionen.
Chronisch erhöhter Blutzucker steigert Entzündungsfaktoren im Gehirn - mit eventuell erhöhtem Alzheimer-Risiko Foto: AOK-BundeverbandDie Ursachen der Alzheimerschen Krankheit sind bisher nicht vollständig geklärt. Bekannt ist jedoch, dass entzündliche Prozesse im Gehirn und das Eiweiß Beta-Amyloid eine entscheidende Grundlage der Erkrankung darstellen. Das Eiweiß Beta-Amyloid wird bei Alzheimer-Patienten falsch verarbeitet, so dass es sich im Gehirn ablagert und hier Nervenzellen schädigt.
Untersuchungen aus der Vergangenheit zeigen, dass Menschen mit einer Insulinresistenz und daraus resultierenden überhöhten Insulinspiegeln überdurchschnittlich oft im Alter an Alzheimer erkranken. Insulinresistenz ist eine der wesentlichen Grundlagen des Typ 2 Diabetes und findet sich häufig bei übergewichtigen Menschen – vor allem, wenn sich das Zuviel an Pfunden im Bauchbereich niederschlägt. Da bei Insulinresistenz die Zellen nicht mehr ausreichend auf das Hormon reagieren, stellt die Bauchspeicheldrüse immer mehr Insulin her – die Folge sind chronisch überhöhte Insulinspiegel (Hyperinsulinämie).
Ein Forschungsteam um Dr. Suzanne Craft von der Universität in Washington, Seattle, hat vor kurzem Studienergebnisse zur Frage veröffentlicht, ob es einen Zusammenhang zwischen Hyperinsulinämie und Alzheimer-Risiko gibt. Hierfür wurden 16 gesunde Personen zwischen 55 und 81 Jahren untersucht. Alle Teilnehmer erhielten eine Insulininfusion, um den Zustand der Hyperinsulinämie bei Insulinresistenz zu simulieren. Gleichzeitig bekamen die Versuchspersonen Dextrose verabreicht, damit unter der Insulininfusion keine Unterzuckerung auftritt. Ungefähr 105 Minuten nach der Infusion entnahmen die Wissenschaftler den Versuchspersonen Blut und Gehirnflüssigkeit (aus dem Nervenkanal im Rücken). Zur Kontrolle wurden die Ergebnisse mit Blut- und Gehirnflüssigkeitsproben nach einer Kochsalzinfusion verglichen, welche die Teilnehmer zu einem anderen Zeitpunkt erhalten hatten.
Das Resultat: Tatsächlich waren nach der Insulininfusion die Spiegel von Entzündungsmarkern in der Gehirnflüssigkeit deutlich erhöht (vor allem IL-1-alpha, IL-1-beta, IL-6, TNF-alpha und F2-Isoprostan). Auch beim Beta-Amyloid zeigten sich erhebliche Anstiege: Die höchsten Werte fanden sich bei den Personen mit dem meisten Körpergewicht. Im Gegensatz zur Gehirnflüssigkeit ergab die Untersuchung der Blutproben keine wesentlichen Veränderungen bei den Entzündungsmarkern (lediglich das Beta-Amyloid war erhöht).
Eine Hyperinsulinämie – zum Beispiel im Rahmen von Insulinresistenz – führt zu einem Anstieg von Entzündungsmarkern und Beta-Amyloid im Gehirn. Dies hat möglicherweise ein erhöhtes Alzheimer-Risiko zur Folge.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Fishel MA, Watson GS, Montine TJ et al. Hyperinsulinemia provokes synchronous increases in central inflammation and beta-amyloid in normal adults. Arch Neurol 2005; 62: 1-6
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