Stress hält den Blutzuckerspiegel nach dem Essen oben
(21.10.2005) Aus der Vergangenheit gibt es eine Reihe von Studien, die den Einfluss von Stress auf den Blutglukosespiegel bei Diabetikern untersucht haben. Die Ergebnisse der Studien sind allerdings widersprüchlich, so dass diese Frage bisher nicht eindeutig beantwortet werden konnte. Wissenschaftler aus der Schweiz haben vor einiger Zeit die Hypothese aufgestellt, dass die Stress-Antwort bei Menschen mit Diabetes möglicherweise nach dem Essen und im nüchternen Zustand unterschiedlich ist.
Psychischer Stress bewirkt bei Diabetikern langsameres Absinken des Blutzuckerspiegels nach der Mahlzeit Foto: AOK-Bundesverband
Um ihre Hypothese zu prüfen, führten Dr. Peter Wiesli und Kollegen vom Universitätshospital Zürich eine Studie mit 40 Typ 1 Diabetikern durch. Alle Teilnehmer unterzogen sich dem „Trier Social Stress Test“: Hierbei wird die Versuchsperson mit einer standardisierten psychosozialen Stress-Situation konfrontiert, die aus einem simulierten Vorstellungsgespräch und einer Kopfrechenaufgabe besteht.
Bei der Hälfte der Patienten wurde der Stress-Test 75 Minuten nach Aufnahme einer Standard-Mahlzeit durchgeführt. Die restlichen 20 Personen nahmen im Nüchternzustand an dem Vorstellungsgespräch und der Kopfrechenaufgabe teil. Alle Typ 1 Diabetiker waren angehalten, während der Versuchsphase ihre bisherigen Basal-Insulindosen beizubehalten.
Die Ergebnisse: Ein Anstieg beim Blutdruck und der Herzrate in beiden Gruppen zeigte, dass der „Trier Social Stress Test“ tatsächlich eine Stress-Situation bei den Teilnehmern hervorrief. Akuter psychologischer Stress bewirkte bei dem Typ 1 Diabetespatienten jedoch auch, dass der physiologische Blutzuckeranstieg nach dem Essen deutlich langsamer rückläufig war als nach Mahlzeiten ohne vorhergehende Stress-Situation. Mit anderen Worten: Wer als Diabetiker kurz vor dem Essen mentalen Stress erlebt, muss befürchten, dass sein Körper nach der Mahlzeit deutlich länger erhöhten Blutzuckerspiegeln ausgesetzt ist. Den größten Unterschied zwischen Stress- und NICHT-Stress-Situation fanden die Wissenschaftler 55 und 80 Minuten nach dem Test: Hier lagen die Glukosespiegel bei vorhergehendem Stress im Durchschnitt um 25 mg/dl (1,4 mmol/l) höher. In den Phasen zwischen den Mahlzeiten hatte Stress interessanterweise keine nennenswerten Auswirkungen auf den Blutzucker.
Mentaler Stress wirkt sich bei Typ 1 Diabetikern nachteilig auf die Blutglukosewerte nach dem Essen aus, während die Blutzuckerspiegel im Nüchternzustand kaum beeinflusst werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Wiesli P., Schmid C., Kerwer O et al. Acute psychological stress affects glucose concentrations in patients with type 1 diabetes following food intake but not in the fasting state. Diabetes Care 2005; 28: 1910-1915
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