Bei Typ 2 Diabetes lässt die kognitive Leistung nach
(13.01.2006) Verschiedene Studien haben in der Vergangenheit gezeigt, dass die kognitive Funktion bei älteren Menschen mit einem Diabetes mellitus Typ 2 eingeschränkt ist. Eine aktuelle Untersuchung aus Großbritannien ist jetzt zu dem Ergebnis gekommen, dass nicht nur ältere Menschen betroffen sind: Auch „jüngere“ Diabetes-Patienten, bei denen die Diagnose erst vor wenigen Jahren gestellt wurde, weisen bereits Funktionsverluste im Wahrnehmen und Denken auf.
Diabetes kann auch Denken und Gedächtnis beeinträchtigen Foto: Gemeinnützige Hertie- Stiftung Unter dem Begriff "kognitive Funktion" fasst man verschiedene Gehirnleistungen zusammen: zum Beispiel Wahrnehmung, Merkfähigkeit, Denken und logisches Schlussfolgern. Beeinträchtigte kognitiven Funktion äußern sich als Verluste der Wahrnehmung, Denkstörungen, Gedächtnisstörungen, Störungen des Erinnerungsvermögens und der Unfähigkeit zu Abstraktionen.
Dr. Meena Kumari und Dr. Michael Marmot vom International Centre for Health and Society in London, Großbritannien, untersuchten bei Teilnehmern einer großen Studie den Zusammenhang zwischen dem Vorliegen einer Diabeteserkrankung und der kognitiven Funktion. Die Studie hatte in den Jahren 1985-1988 begonnen (sogenannte prospektive Kohortenstudie) und umfasste 4.020 Männer und 1.627 Frauen. Bis zu den Jahren 1997-1999 entwickelten 208 Männer (5 Prozent) und 101 Frauen (6 Prozent) einen Typ 2 Diabetes. Weitere 405 Männer (10 Prozent) und 192 Frauen (12 Prozent) zeigten eine gestörte Glukosetoleranz, die als Diabetes-Vorstadium gilt. Das Durchschnittsalter der Teilnehmer lag zum Untersuchungszeitpunkt bei 56 Jahren.
Um das Denk- und Erinnerungsvermögen der Patienten mit Diabetes bzw. gestörter Glukosetoleranz und der Teilnehmer ohne Diabetes zu prüfen, führten die Wissenschaftler verschiedene kognitive Tests durch. Unter anderem kam hierbei der etablierte Alice Heim Test 4 (AH 4) zur Anwendung: AH 4 besteht aus 65 unterschiedlichen sprachlichen und mathematisch-logischen Aufgaben mit ansteigendem Schwierigkeitsgrad.
Die Test-Auswertung zeigte, dass Diabetiker bei ihren Fähigkeiten in der Wahrnehmung und beim Denken deutlich schlechter abschnitten als ihre gesunden Altersgenossen – trotz des noch jungen Durchschnittsalters von nur 56 Jahren und der zum Teil nur kurzen (bekannten) Diabetesdauer von zwei bis fünf Jahren. Insgesamt hatten Männer mit Diabetes 2,5mal und diabetische Frauen 1,8 mal häufiger schlechte Testergebnisse als gleichaltrige Teilnehmer ohne Diabeteserkrankung. Bei den Patienten mit Prädiabetes, sprich einer gestörten Glukosetoleranz fand sich bei der kognitiven Leistung allerdings noch kein Unterschied zu den Nicht-Diabetikern.
Typ 2 Diabetes scheint auch in jüngeren Altersgruppen und bei erst kurzer Diabetesdauer bereits mit Einschränkungen der Gedächtnisleistung und des Denkvermögens einherzugehen. Vor dem Hintergrund, dass in den westlichen Industrienationen das Durchschnittsalter bei Diagnose einer Typ 2 Diabeteserkrankung immer weiter absinkt, sind diese Ergebnisse von besonderer Bedeutung und müssen beim Management der Typ 2 Diabeteserkrankung entsprechend berücksichtigt werden.
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Kumari M, Marmot M. Diabetes and cognitive function in a middle-aged cohort: findings from the Whitehall II study. Neurology 2005; 65: 1597-1603 |