„Vorgealtert“ durch Übergewicht und Rauchen
(03.08.2005) Übergewicht und der Konsum von Nikotin sind nicht „nur“ bedeutende Risikofaktoren für eine Vielzahl von Krankheiten – offenbar ist auch der biologische Alterungsprozess bei übergewichtigen Menschen und Rauchern beschleunigt. Zu diesem Resultat kommt jedenfalls eine Forschergruppe um Tim D. Spector von der Twin Research Unit, St. Thomas Hospital in London, Großbritannien. Ihre Ergebnisse veröffentlichten die Wissenschaftler vor kurzem in einer Online-Vorabveröffentlichung der renommierten Fachzeitschrift The Lancet.
Das Forscherteam ging in einer Studie der Frage nach, ob Nikotinkonsum und starkes Übergewicht den Vorgang des Älterwerdens beschleunigt. Hierzu entnahmen die Wissenschaftler bei 1.122 gesunden Frauen im Alter zwischen 18 und 76 Jahren Blutproben und untersuchten die Länge der sogenannten Telomere. In den Körperzellen ist das menschliche Erbgut auf insgesamt 46 Chromosomen verteilt. An den Enden der Chromosomen sitzen die Telomere, die eine Art Pufferzone bilden und das Erbgut vor Beschädigungen schützen (Telomere = „Erbgut-Schutzkappen“). Bei jeder Zellteilung und mit zunehmendem Alter werden die Telomere ein Stückchen kürzer. Mit anderen Worten: Der Alterungsprozess geht mit einer Telomerenverkürzung einher. Aus der Länge der Telomere kann daher auf das biologische Alter einer Person geschlossen werden.
Doch zurück zur Studie von Tim Spector und seinen Kollegen: Von allen 1.122 Frauen wiesen 119 Teilnehmerinnen deutliches Übergewicht auf (Adipositas; der BMI lag über 30 kg/m2). 85 der untersuchten Frauen hatten einen BMI von weniger als 20 kg/m2 (= sehr schlank bis untergewichtig). 203 der Teilnehmerinnen waren aktive und 369 Frauen ehemalige Raucherinnen.
Das Ergebnis: Erwartungsgemäß nahm mit zunehmendem Alter auch die Länge der Telomere stetig ab. Allerdings hatten adipöse Frauen und Raucherinnen deutlich kürzere Telomere als schlanke Frauen und Nichtraucherinnen. Insgesamt waren die Teilnehmerinnen mit deutlichem Übergewicht im Vergleich zu sehr schlanken Frauen, die nach dem Geburtsdatum gleich alt waren, biologisch im Mittel um fast 9 Jahre vorgealtert. Ehemaliges oder aktives Rauchen beschleunigte die vorzeitige Alterung um im Mittel 4,6 Jahre. Jedes „Pack-Year“ (= Anzahl der täglich gerauchten Zigaretten multipliziert mit der Anzahl der Raucherjahre) führte zu einer zusätzlichen Verkürzung der Telomere um durchschnittlich 18 Prozent pro Jahr. Ein Beispiel: Eine Frau, die 40 Jahre lang täglich eine Packung Zigaretten geraucht hat, beschleunigte ihre Alterung gemessen an der Länge der Telomere um durchschnittlich 7,4 Jahre. Übergewicht und Rauchen fördern den biologischen Alterungsprozess. Nicht nur für die „Anti-Aging-Anhänger“ ein wichtiges Forschungsergebnis ...
Dr. med. Anja Lütke, freie Mitarbeiterin der Deutschen Diabetes-Klinik des Deutschen Diabetes-Zentrums an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf, Leibniz-Zentrum für Diabetes-Forschung
Quelle: Valdes AM et al. Obesity, cigarette smoking, and telomere length in women. The Lancet 2005; 365: 10.1016/S0140-6736(05)66630-5
|