Themenspezial
Rauchen und Diabetes
Kernaussagen
- Rauchen beeinträchtigt den Glukosestoffwechsel und die pharmakokinetischen und pharmakodynamischen Eigenschaften des Insulins.
- Rauchen ist ein möglicher Trigger für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes.
- Durch Generierung reaktiver Sauerstoffspezies besteht die Gefahr der allgemeinen Zellschädigung und damit auch eine Gefahr für die insulinproduzierenden Zellen des Pankreas.
- Rauchen potenziert das kardiovaskuläre Erkrankungsrisiko sowie das Risiko für eine diabetische Nephropathie.
Hintergrund
Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Direktor der Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf
Mehr als sechs Millionen Menschen leiden in Deutschland unter der Stoffwechselerkrankung Diabetes mellitus. Da man zudem von zwei Millionen unerkannten Diabetikern ausgeht, dürfte die tatsächliche Zahl von Menschen mit Diabetes in Deutschland bei acht Millionen liegen (11). Die chronische Blutzuckererhöhung, die den Diabetes mellitus ausmacht, birgt ein hohes Risiko für Folgeerkrankungen in sich, vor allem an Augen, Nieren und Nerven. Darüber hinaus erhöht Diabetes das Risiko für Herzinfarkt und Schlaganfall.
Drei Prozent aller Menschen mit Diabetes in Deutschland, etwa 250 000 Patienten, haben einen Typ 1 Diabetes, bei dem der Insulinmangel durch die Zerstörung der insulinproduzierenden Zellen der Bauchspeicheldrüse entsteht. Grundsätzlich kann sich der Typ 1 Diabetes in jedem Alter erstmals manifestieren, meist tritt er jedoch vor dem 35. Lebensjahr auf. Da die Neuerkrankungsrate bei Kindern im Alter von 11 bis 13 Jahren am höchsten ist, wurde der Typ 1 Diabetes früher auch als juveniler Diabetes bezeichnet.
Über 90 Prozent aller Diabetiker leiden am Typ 2 Diabetes. Über die Hälfte der Typ 2 Diabetiker sind über 65 Jahre alt. Häufig tritt der Typ 2 Diabetes in der als Metabolisches Syndrom bezeichneten Konstellation auf, nämlich zusammen mit Übergewicht, Bluthochdruck und Fettstoffwechselstörungen.
Diabetes begünstigt die vorzeitige Entwicklung einer rasch progredienten Arteriosklerose, die maßgeblich die diabetesbedingte Morbidität und Mortalität bestimmt: Die im Krankheitsverlauf entstehende Makroangiopathie führt vor allem zu kardiovaskulären Komplikationen wie Herzinfarkt, Schlaganfall oder peripherer arterieller Verschlusskrankheit und sie verursacht oft ein diabetisches Fußsyndrom. Herzinfarkte treten bei Männern mit Diabetes 3,7-mal häufiger auf als bei Nichtdiabetikern und bei Frauen mit Diabetes sogar 5,9-mal häufiger. Damit steht der Herzinfarkt – zusammen mit dem Schlaganfall – an erster Stelle der Todesursachen von Menschen mit Diabetes. Auch das diabetesbedingte Nierenversagen und die ischämische Fußgangrän erhöhen die Sterblichkeit von Menschen mit Diabetes.
Einfluss des Rauchens
Insulinsensitivität Der Einfluss des Rauchens auf die Insulinsensitivität und die Insulinabsorption ist nicht eindeutig geklärt. Es wurden sowohl Verschlechterungen als auch Verbesserungen der Insulinsensitivität beobachtet. Insgesamt zeichnet sich aber eher ab, dass Tabakkonsum die Insulinsensitivität beeinträchtigt (8). Eine neuere Studie weist auf einen lang anhaltenden Insulinanstieg sowie einen höheren metabolischen Effekt bei Rauchern hin (3).
Typ 1 Diabetes Rauchen führt in hohem Maße zur Bildung reaktiver Sauerstoffspezies (ROS), wodurch das Redox-Gleichgewicht des Körpers stark gestört wird. ROS können Zellen schädigen (19). So spielen bei den T-Zell-vermittelten Autoimmunreaktionen, die die insulinproduzierenden Betazellen zerstören und letztlich zu einem insulinabhängigen Diabetes führen, neben den klassischen Effektormechanismen auch Immunmediatoren wie proinflammatorische Zytokine, aber auch ROS eine große Rolle. Die exakten molekularen Mechanismen und Signalwege sind jedoch noch nicht bis ins Detail erforscht (13). Beim männlichen Typ 1 Diabetespatienten verringert Rauchen die glomeruläre Filtrationsrate (15).
Typ 2 Diabetes Viele Studien zeigen einen Zusammenhang zwischen Rauchen und der Entstehung eines Typ 2 Diabetes (8, 12, 14, 16, 17, 24). Raucher haben ein doppelt so hohes Risiko, an einem Typ 2 Diabetes zu erkranken, wie Nichtraucher (22). Nach einer größeren japanischen Studie erhöht Rauchen dosisunabhängig das Risiko für die Entwicklung eines Typ 2 Diabetes, wobei besonders Raucher ab dem vierzigsten Lebensjahr betroffen waren (20). Exraucher haben kein erhöhtes Krankheitsrisiko (20, 22). Auch eine groß angelegte französische Studie belegt für männliche Raucher ein deutlich erhöhtes Diabetesrisiko (2). Für Frauen ist der Zusammenhang zwischen Rauchen und Diabetes weniger eindeutig. Der pathophysiologische Mechanismus, über den das Rauchen das Risiko für Typ 2 Diabetes erhöht, ist noch nicht ganz verstanden. Folgende Wirkungen des Rauchens könnten dabei eine Rolle spielen: Eine Erhöhung des Blutzuckerspiegels nach oraler Gabe von Glukose und eine Beeinträchtigung der Insulinsensitivität (9), eine Erhöhung der Insulinresistenz durch eine ungünstige Umverteilung des Körperfetts (21), eine Beeinträchtigung des Glukosetransports im Skelettmuskel (18) und eine Erhöhung freier Radikale (5). Möglicherweise wirken das Nikotin, das Kohlenmonoxid oder andere Substanzen aus dem Tabakrauch direkt toxisch auf den Pankreas und die Sensitivität der Insulinrezeptoren (6, 10).
Potenzierung der Risikoprofile Diabetiker haben ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten, das die durch Rauchen hervorgerufene Hypertonie, die Vasokonstriktion sowie die arteriosklerotischen Veränderungen zusätzlich potenzieren. Zudem verschlechtert der Tabakkonsum die glomuläre Filtrationsrate. Rauchen ist daher ein Risikofaktor für die Entwicklung und Progression einer diabetischen Nephropathie (20).
Positive Effekte einer Tabakentwöhnung
Da sowohl Diabetes als auch Rauchen das Risiko für kardiovaskuläre Krankheiten erhöhen, profitieren Diabetiker in besonderem Maße von einem Rauchstopp. Denn eine Tabakentwöhnung reduziert das Risiko, an Herzkrankheiten zu erkranken und zu sterben, deutlich (1, 7), wobei das Mortalitätsrisiko nur allmählich über Jahre hinweg absinkt und stark von der Dauer des Tabakkonsums abhängt (8, 23, 24). Die nationale Versorgungsleitlinie der Bundesärztekammer empfiehlt eine Tabakentwöhnung als festen Bestandteil der Basistherapie bei Typ 2 Diabetes (4). Ein Rauchstopp ist aber auch zur Prävention von Diabetes sinnvoll.
Prof. Dr. med. Werner A. Scherbaum, Klinik für Endokrinologie, Diabetologie und Rheumatologie an der Heinrich-Heine Universität Düsseldorf
Quelle: Deutsches Krebsforschungszentrum, Bundesärztekammer (Hrsg):Dem Tabakkonsum Einhalt gebieten - Ärzte in Prävention und Therapie der Tabakabhängigkeit, Heidelberg und Berlin, 2. vollständig überarbeitete Auflage 2007
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