In der Presse wird momentan über die Schadensersatzklage eines Richters mit Diabetes gegen die Hersteller von Cola und Schokoladenriegeln berichtet. Dabei werden schwere Vorwürfe erhoben, die einer medizinisch-wissenschaftlichen Kommentierung bedürfen.
Einige Fragen zu diesem Thema beantwortet hier Frau Dr. med. Monika Toeller aus der Ernährungsabteilung des Deutschen Diabetes-Forschungsinstituts:
1. Trifft es zu, daß die Süßwaren-Industrie Grundlagen-Forschung über den Zusammenhang zwischen falscher Ernährung und Diabetes verhindert oder früher verhindert hat? Welche Forschungsvorhaben hat es dazu in Ihrem Haus in jüngster Zeit gegeben?
Frau Dr. med. Monika Toeller:
Es ist uns nicht bekannt, daß die Süßwaren-Industrie Grundlagen-Forschung über den Zusammenhang zwischen falscher Ernährung und Diabetes verhindert oder früher verhindert hat. Am Deutschen Diabetes-Forschungsinstitut werden Studien über potentielle Zusammenhänge zwischen Lebensstilfaktoren und der Entstehung des Typ 1 Diabetes durchgeführt sowie auch über mögliche Einflüsse von Nahrungsfaktoren für die Entstehung und Progression von Diabeteskomplikationen.
2. Halten Sie Warnhinweise auf süßen Snacks, Schokoriegeln etc. über eventuelle gesundheitliche Risiken solcher Genußmittel für sinnvoll?
Frau Dr. med. Monika Toeller:
Nein. Ein direkter Zusammenhang zwischen dem Verzehr von süßen Snacks oder Schokoriegeln und gesundheitlichen Risiken ist unserer Kenntnis nach nicht belegt. Generell spielen die Mengen des Verzehrs bzw. übermäßiger Verzehr von Nahrungsmitteln aber bei der Entstehung von Übergewicht eine entscheidende Rolle. Übergewicht soll vermieden werden, weil es weitere gesundheitliche Risiken mit sich bringt.
3. Woran liegt es Ihrer Meinung, daß die Zahl der Diabetes-Erkrankungen steigt, obwohl die Risiken einer Fehl- oder einseitigen Ernährung bekannt sind? Ist es nur "das schwache Fleisch" oder die Macht der Versuchung?
Frau Dr. med. Monika Toeller:
Bei dem zu beobachtenden Anstieg von Typ 1 und Typ 2 Diabetes weltweit ist zu beachten, daß neben genetischen Faktoren auch Umwelt- und Lebensstilfaktoren eine Rolle spielen können. Solche vermuteten oder bereits bekannten Faktoren sind bei Typ 1 und Typ 2 Diabetes unterschiedlich. Ein Typ 2 Diabetes wird maßgeblich durch Überernährung und daraus folgendem Übergewicht mitbestimmt. Eine überreichliche Aufnahme von Fett und eine sehr geringe Ballaststoffaufnahme sind besonders negative Faktoren.
Unserer Kenntnis nach ist für die Nahrung kein Suchtpotential bekannt, wie dies z.B. für Nikotin belegt ist. Menschen entscheiden wann, was und wieviel sie essen. Sie werden dabei durch vielfältige Mechanismen und Anreize beeinflußt. Wer Probleme hat, sein Körpergewicht im wünschenswerten Bereich zu halten, benötigt u.U. professionelle Beratung und Unterstützung. Aufklärung über negative Auswirkungen von Übergewicht ist notwendig. Diese wichtige Aufklärung kann aber nach unserer Meinung nicht durch Warnhinweise auf einzelnen Lebensmitteln erfolgen.
Redaktion: Dr. med. M. Stapperfend, Prof. Dr. med. W. Scherbaum